Der Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion
die Augen zu öffnen, die nicht sehn wollen.
Auch Schmidt hat seine formellen Bedenken bezüglich des Wertgesetzes. Er nennt es eine wissenschaftliche, zur Erklärung des tatsächlichen Austauschprozesses aufgestellte Hypothese, die sich auch den ihr scheinbar ganz widersprechenden Erscheinungen der Konkurrenzpreise gegenüber als der notwendige theoretische Ausgangspunkt, als lichtbringend und unumgänglich bewährt; ohne das Wertgesetz hört auch nach seiner Ansicht jede theoretische Einsicht in das ökonomische Getriebe der kapitalistischen Wirklichkeit auf. Und in einem Privatbrief, den er mir anzuführen gestattet, erklärt Schmidt das Wertgesetz innerhalb der kapitalistischen Produktionsform gradezu für eine, wenn auch theoretisch notwendige, Fiktion. – Diese Auffassung trifft aber nach meiner Ansicht durchaus nicht zu. Das Wertgesetz hat für die kapitalistische Produktion eine weit größere und bestimmtere Bedeutung als die einer bloßen Hypothese, geschweige einer wenn auch notwendigen Fiktion.
Bei Sombart sowohl wie bei Schmidt – den illustren Loria ziehe ich nur herbei als erheiternde vulgärökonomische Folie – wird nicht genug berücksichtigt, daß es sich hier nicht nur um einen rein logischen Prozeß handelt, sondern um einen historischen Prozeß und dessen erklärende Rückspiegelung im Gedanken, die logische Verfolgung seiner inneren Zusammenhänge.
Die entscheidende Stelle findet sich bei Marx III, I, p. 154: »Die ganze Schwierigkeit kommt dadurch hinein, daß die Waren nicht einfach als Waren ausgetauscht werden, sondern als Produkte von Kapitalen, die im Verhältnis zu ihrer Größe, oder bei gleicher Größe, gleiche Teilnahme an der Gesamtmasse des Mehrwerts beanspruchen.« Zur Illustration dieses Unterschieds wird nun unterstellt, die Arbeiter seien im Besitz ihrer Produktionsmittel, arbeiteten im Durchschnitt gleich lange Zeit und mit gleicher Intensität und tauschten ihre Waren direkt miteinander aus. Dann hätten zwei Arbeiter in einem Tage ihrem Produkt gleich viel Neuwert durch ihre Arbeit zugesetzt, aber das Produkt eines jeden hätte verschiednen Wert je nach der in den Produktionsmitteln früher schon verkörperten Arbeit. Dieser letztere Wertteil würde das konstante Kapital der kapitalistischen Wirtschaft repräsentieren, der auf die Lebensmittel des Arbeiters verwandte Teil des neu zugesetzten Werts das variable Kapital, der dann noch übrige Teil des Neuwerts den Mehrwert, der hier also dem Arbeiter gehörte. Beide Arbeiter erhielten also, nach Abzug des Ersatzes für den von ihnen nur vorgeschossenen »konstanten« Wertteil, gleiche Werte; das Verhältnis des den Mehrwert repräsentierenden Teils zu dem Wert der Produktionsmittel – was der kapitalistischen Profitrate entspräche – wäre aber bei beiden verschieden. Da aber jeder von ihnen den Wert der Produktionsmittel im Austausch ersetzt erhält, wäre dies ein völlig gleichgültiger Umstand. »Der Austausch von Waren zu ihren Werten oder annähernd zu ihren Werten, erfordert also eine viel niedrigere Stufe als der Austausch zu Produktionspreisen, wozu eine bestimmte Höhe kapitalistischer Entwicklung nötig ist... Abgesehn von der Beherrschung der Preise und der Preis bewegung durch das Wertgesetz, ist es also durchaus sachgemäß, die Werte der Waren nicht nur theoretisch, sondern auch historisch als das prius der Produktionspreise zu betrachten. Es gilt dies für Zustände, wo dem Arbeiter die Produktionsmittel gehören, und dieser Zustand findet sich, in der alten wie in der modernen Welt, beim selbstarbeitenden grundbesitzenden Bauer und beim Handwerker. Es stimmt dies auch mit unsrer früher ausgesprochnen Ansicht, daß die Entwicklung der Produkte zu Waren entspringt durch den Austausch zwischen verschiednen Gemeinwesen, nicht zwischen den Gliedern einer und derselben Gemeinde. Wie für diesen ursprünglichen Zustand, so gilt es für die späteren Zustände, die auf Sklaverei und Leibeigenschaft gegründet sind, und für die Zunftorganisation des Handwerks, solange die in jedem Produktionszweig festgelegten Produktionsmittel nur mit Schwierigkeit aus der einen Sphäre in die andre übertragbar sind und die verschiednen Sphären sich daher zueinander verhalten wie fremde Länder oder kommunistische Gemeinwesen.« (Marx, III, I, p. 155, 156.)
Wäre Marx dazu gekommen, das dritte Buch nochmals durchzuarbeiten, er hätte ohne Zweifel diese Stelle bedeutend weiter ausgeführt. So wie sie da steht, gibt sie
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