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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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anklagend, zugleich fordernd war, musste er die Koloraturen exakt treffen, damit die Arie als krönender Abschluss einer Dreistunden-Oper akzeptiert wurde. Denn so, wie sie jetzt war, stellte sie Franziska nicht zufrieden. Ans Ende gehörte ein Highlight, ein Höhepunkt des letzten Aufbaumens, ein Feuerwerk der Emotionen, das sich in berauschenden Farben am Sternenhimmel entlud.
    Kilian kam lautlos in den Großen Saal. Er hatte Musik gehört und wollte schauen, ob Raimondi am Werk war, so wie er es am Vormittag angekündigt hatte. Der Lichtschein fiel auf den Laufsteg, der durch die Tür im Oberen Foyer hereindrang. Franziska bemerkte es nicht, sie ging ganz in ihrem Spiel auf. Takahashi erkannte ihn, sang jedoch weiter, bis Kilian in der ersten Reihe Platz genommen hatte. Dann brach er ab.
    »Entschuldige, Franziska«, sagte er, »ich weiß nicht, ob ich das vor Publikum singen kann.«
    Franziska schaute auf. »Es ist doch ganz wunderbar. Mach einfach weiter so.«
    »Das meine ich nicht.«
    »Sondern?«
    »Du weißt schon«, er druckste herum, sein Blick fiel auf Kilian, dann wieder zurück auf Franziska, die Kilian jetzt auch bemerkte, »es sind diese Worte, die ich aussprechen muss.«
    Anstatt auf sein Anliegen einzugehen, wechselte Franziska das Thema und den Gesprächspartner.
    »Herr Kilian, kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?« Sie sammelte die Blätter vom Notenständer ein und packte sie in den Schulranzen, der zu ihren Füßen lehnte.
    Noch bevor Kilian antworten konnte, beendete sie die Probe mit Takahashi. »Wir sehen uns dann später.«
    Ihr Lächeln zeigte an, dass Kilian ohne Erlaubnis in ihr Revier eingedrungen war, und da er schon mal da war und sie ihn nicht verscheuchen wollte oder konnte, gab sie sich auskunftsbereit.
    Takahashi verabschiedete sich mit seinem Notenblatt.
    »Entschuldigen Sie«, begann Kilian, »ich wollte Ihre Probe nicht stören.«
    »Kein Problem, wir waren ohnehin am Ende angekommen.«
    Kilian suchte nach einem Anfang. »Was haben Sie da gerade geprobt? Es klang sehr dynamisch, fast schon … diabolisch schön.«
    »Wirklich?«
    »Ja, es hatte so etwas … Absolutes.«
    »Das freut mich, genau das habe ich bezweckt.«
    »Wie? Stammt die Musik von Ihnen?«
    Nicht ohne Stolz antwortete sie: »Musik und Text: Franziska Bartholomä.«
    »Bravo. Wann wird es zu hören sein?«
    »Ich hoffe, zur Premiere des
Don Giovanni
. Einige Korrekturen müssen noch eingefügt werden und … Takahashi natürlich, er muss die Arie singen.«
    »Er wird also den
Don Giovanni
geben?«
    »Es ist sonst niemand da, der den Part übernehmen könnte.«
    »Kann man nicht jemanden von außen engagieren?«
    »Es ist die Entscheidung des Regisseurs. Er hat vollstes Vertrauen in Takahashi. Seine Stimme hat großes Potenzial. Der letzte Schliff fehlt zwar noch, aber das ist nur eine Frage der Übung.«
    »Wird er auch vom Publikum akzeptiert? Ein asiatischer Don Juan ist etwas gewöhnungsbedürftig.«
    »Die weltberühmte Sopranistin Kiri te Kanawa stammt von den neuseeländischen Maori ab. Daran hat sich bislang auch niemand gestoßen.«
    »Und was hält der neue Dirigent, Herr Stiller, davon?«
    Franziska überlegte. Dann: »Ich denke, er wird es akzeptieren müssen, wenn Raimondi darauf besteht.«
    »Sie haben ein eigenartiges Verhältnis, Sie und Stiller, meine ich.«
    »Er sieht in mir die Konkurrenz.«
    »Für den Posten des Generalmusikdirektors?«
    »Nein, nein, so schnell geht das auch wieder nicht. Stiller braucht kritiklose Zustimmung, ansonsten kann er sehr ungemütlich werden. Ich habe mir bei einer früheren Produktion mal erlaubt, seine Interpretation zu kritisieren, und seitdem herrscht Funkstille zwischen uns beiden.«
    »Ich habe eher den Eindruck, dass es kriselt, wenn Sie aufeinander treffen.«
    Franziska antwortete mit einem stummen Lächeln. Kilian wusste nicht so recht, was er damit anfangen sollte. »Ich bin eigentlich gekommen, um Ihr Versprechen einzulösen.«
    »Welches?«
    »Dass Sie mir mehr über Ihre Arbeit als Souffleuse erzählen. Passt es Ihnen jetzt?«
    »Sicher. Kommen Sie.«
    Franziska führte ihn ein paar Meter weiter im Orchestergraben zu einer Leiter, die von der Decke, die der eigentliche Bühnenboden war, herunterhing. Sie zeigte nach oben, Kilian folgte dem Fingerzeig. Am Ende der Leiter war ein knapper Sitzplatz angebracht, der jedem Hühnerkäfig hätte Konkurrenz machen können. Licht von der Bühne fiel von oben herein.
    »Das ist mein Arbeitsplatz«, sagte sie.

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