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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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meinen, ich habe mich selbst mit einer Pflanze und einer Stange umbringen wollen?«
    »Nicht direkt. Das war Aufgabe Ihrer Komplizin.«
    »Die da wäre?«
    »Franziska Bartholomä.«
    Raimondi schwieg kurz und wägte ab. »Und, was haben Sie mit Ihrer phantastischen Theorie nun vor?«
    »Ich werde Sie unter anderem wegen Mordes, zumindest wegen Totschlags an dem Journalisten der Frankfurter Allgemeinen, Vortäuschung einer Straftat, Irreführung der Ermittlungsbehörden und wiederholter Falschaussage festnehmen lassen.«
    »Gleich so viel auf einmal? Da waren Sie ja ganz schön fleißig.« Raimondi machte Anstalten zu gehen. Kilian hielt ihn zurück. »Ich meine es ernst«, sagte er.
    »Das glaube ich Ihnen«, antwortete Raimondi kühl.
    »Doch wo sind Ihre Beweise?«
    Kilian hatte keinen. Das wussten sie beide. Vielleicht klappte es aber mit einem Bluff, Raimondi zum Reden zu bringen. »Es gibt eine Zeugin, die Ihr Gespräch im Weinhaus
Stachel
mitgehört hat.«
    Raimondi lachte. »Ach, wirklich? Herr Kilian, lassen Sie sich gesagt sein, ich höre täglich drei Geschichten über neue Projekte, die am Theater von mir umgesetzt werden sollen. Mord und Totschlag sind das Elixier, aus dem die Oper gemacht ist. Glauben Sie tatsächlich, dass ein Richter ein Arbeitsgespräch zwischen einem Regisseur und einer Komponistin als Mordkomplott bewerten wird?
    Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Herr Kilian: Lassen Sie die Finger davon. Behalten Sie Ihre Anschuldigungen für sich, zumindest bis nach der Premiere. Danach könnte die Produktion durchaus wieder etwas Promotion gebrauchen.«
    Kilian schwieg.
    »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen«, sagte Raimondi, »ich habe bis morgen eine Inszenierung auf die Bühne zu bringen. Wenn Sie noch eine Eintrittskarte brauchen?«
    Raimondi lächelte ihm nochmals zu, bevor er zurück in den Großen Saal ging. In seinen Augen spiegelte sich Überlegenheit.
    Ja, diese Schlacht hatte Raimondi gewonnen, aber es sollte die letzte sein, schwor Kilian.
    Wie Recht er damit hatte, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
    Um Heinleins Wachhund nicht noch einmal in die Arme zu laufen, beschloss Kilian, ein Stockwerk höher zu gehen. Von dort gelangte er auf die Galerie des Großen Saales, würde hoch über allen sitzen und ungesehen die Probe weiterverfolgen können.
    Hier oben war er allein. Es war dunkel und nicht ganz so laut wie fünf Meter unterhalb in den Rangen. Auf der Bühne erkannte er
Don Giovanni
an dem grünen Seidenanzug und der Augenmaske. Er kniete in der Mitte der Bühne, den Kopf zu Boden gesenkt. Im Halbkreis um ihn herum standen Don Ottavio, Donna Anna, Zerlina, Masetto und Donna Elvira. Don Ottavio hatte einen Degen gezückt, hielt ihn drohend über
Don Giovanni
s Kopf.
    Während alle immer wieder nur das eine Wort
Morrà!
16 sangen, widersprach die Donna Elvira mit einem leidenschaftlich vorgetragenen
Pietà!
17 Sie bat, ihren Geliebten zu schonen.
    Kilian musste genau hinsehen. Es fiel ihm nicht leicht, er war rund zwanzig Sitzreihen von der Bühne entfernt. Seine Augen versagten ihm den Dienst, forderten Ruhe und Entspannung.
    Irgendetwas war am
Don Giovanni
anders. Er war bedeutend kräftiger als Takahashi. Mit einem tiefen Bariton gab sich der als
Don Giovanni
verkleidete Leporello schließlich zu erkennen. Zu seinem Pietà,
signori miei
18 nahm er die Augenmaske ab.
    Alle, selbst die ihn immer noch liebende Donna Elvira, waren auf einen neuen Trick des
Don Giovanni
hereingefallen. Er hatte sie alle getäuscht.
    Hätte sich Kilian die Szene bis zum Ende angesehen, dann wäre ihm aufgefallen, dass die Lösung des Falles ganz nahe lag.
    Doch zu diesem Zeitpunkt war er bereits eingeschlafen.
    Als er wieder erwachte, quälte ihn ein stechender Schmerz in Rücken und Genick. Zudem sah er nichts. Es war stockfinster um ihn herum. Er fragte sich, wo er eigentlich war. Erkennen konnte er nichts, aber fühlen. Er spürte den geriffelten Bezug des Sitzes, die hölzerne Armlehne. Er war im Theater, oben auf der Galerie. Niemand war mehr da, das Licht gelöscht.
    Kilian erhob sich vorsichtig, tastete sich an der Brüstung aus Beton entlang. An seiner rechten Seite ging es metertief nach unten. Nur nicht stolpern oder das Gleichgewicht verlieren. Am Gang angekommen, fühlte er die Wand, ging die paar Stufen nach oben, öffnete die schwere Holztür. Graues Licht fiel ihm vor die Füße. Es kam durch die Verglasung der Frontseite des Theaters herein. Er erkannte die Treppe, die

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