Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
an.
Kilian ahnte, was sie vorhatte. Er legte den Arm um sie, als seien sie ein Paar, sie gingen die Stufen hoch und begaben sich unter genauer Beobachtung ihrer Kolleginnen gleich an die Bar.
»Ich trinke einen Strawberry Daiquiri«, sagte sie und verschwand hinter der Bar.
Kilian bestellte ihn und einen trockenen MüllerThurgau. Von Longdrinks ließ er seit dem Absturz mit Heinlein vor einem Jahr im Brasil die Finger. Und das war gut so, denn jedes Mal, wenn er sich Caipirinhas genehmigte, passierte irgendetwas, was ihm später Leid tat.
Die Bar machte einen guten Eindruck auf ihn. Sie war großzügig angelegt, zur Straße hin offen, und sie führte guten Wein.
Als er sich zur Straße umdrehte, sah er jemand aus dem Haus gegenüber kommen. Am Eingang erkannte er weiße Schilder, die auf Anwaltsund Arztpraxen hinwiesen.
Der Mann legte den Arm um sie. Pia kuschelte sich in ihn hinein.
22
Als Kilian die Augen öffnete, sah er einen nackten, knackigen Frauenpo, der sich schwingend von ihm entfernte. Er schloss die Augen wieder, und die Welt um ihn herum fiel in ein dunkles Loch.
Später hörte er das Schreien eines kleinen Kindes. Die Mutter beruhigte es. Er drehte sich um, und wieder breitete sich die Nacht über ihn aus.
Das Läuten eines Telefons ließ ihn ein drittes Mal erwachen. Eine Frauenstimme meldete sich. Sie schaute zu ihm herein, schloss die Tür und teilte dies der Anruferin mit.
Kilian erhob sich. In seinem Kopf wummerten die Geräusche der Wohnung als verzerrte Echos. Die grellen Lichtblitze, die auf seine Iris trafen, konnten kein einheitliches Bild zusammensetzen. Zwischen den Beinen spürte er einen Druck, dem er schnellstens Folge leisten musste. Er setzte mühsam einen Fuß nach dem anderen aus dem Bett auf den Boden. Er versuchte das Gleichgewicht zu halten, während er auf die Tür zuschritt.
In der Küche saß eine ihm unbekannte junge Frau mit ihrem Kind auf dem Schoß. Sie summte zu einer Melodie, die aus dem Radio kam. Sie blickte auf, erkannte sein Bedürfnis.
»Die zweite Tür links«, sagte sie und zeigte in die Richtung.
Kilian stolperte an ihr vorbei, landete im Gang und suchte in dem Tunnel, der sich vor seinem Auge auftat, nach der genannten Tür.
Die Erleichterung, die er sich auf der Toilette verschaffte, reichte aus, um die Küche und den Raum, in dem er geschlafen hatte, wiederzufinden.
»Alles okay?«, fragte die Frau. Auf ihrem Schoß balancierte das Kind die ersten Schritte. Sie hielt es fest unter den Armen und sprach ihm Mut zu.
Kilian ließ sich auf einen der Stühle fallen. »Wo bin ich?«
»In Sicherheit«, sagte sie scherzhaft. »Kaffee?«
»Unbedingt.«
Die Frau stand auf, schenkte ihm eine große Tasse ein.
»Milch, Zucker?«
»Eine Prise Zucker. Danke.«
Der Kleine beäugte ihn interessiert. Kilian zwang sich ein Lächeln ins Gesicht. Das Kind dankte es ihm mit einem grellen Freudenschrei, der Kilian durch Mark und Bein ging.
»Was ist passiert?«, fragte er, der erste Schluck des heißen Kaffees brannte in seiner Kehle.
»Ria hat dich heute Nacht angeschleppt. Du warst echt guter Dinge. Zu zweit haben wir dich ins Bett verfrachtet.«
»Und?«
»Nichts und. Glaub mir, da ist nichts passiert.«
»Wo ist … Ria?«
»Bei der Arbeit, einer ihrer drei Jobs, die sie zurzeit macht. Sie hat vorhin angerufen und gefragt, wie es dir geht.«
Kilian nahm einen weiteren Schluck. Langsam kehrten seine Sinne wieder zu ihm zurück. »Und wer bist du?«
»Ich bin Magda, und das hier ist Ben.«
»Hallo, Magda, hallo, Ben.«
»Magst du was frühstücken? Ei, Marmelade, Butter, Hörnchen?«
Sein Magen widersprach jeglicher Nahrungsaufnahme.
»Nein, danke. Kaffee ist alles, was ich jetzt brauche. Und ’ne Dusche, wenn es dir nichts ausmacht. Wie spät ist es eigentlich?«
Magda schaute zur Küchenuhr hoch. »Halb eins durch.«
»O mein Gott«, stöhnte er, »dann habe ich schon den halben Tag verpennt. Was ist eigentlich passiert?«
»Ria nannte nur Stichworte. Sie war ähnlich gut drauf wie du.«
»Dann hat sie es wohl besser verkraftet als ich, wenn sie schon wieder zur Arbeit gegangen ist. Was hat sie gesagt?«
»Ihr seid ins cu gegangen. Anfänglich seist du etwas verärgert gewesen, weil dir jemand über den Weg gelaufen ist, dann hast du es mit ein paar Schoppen runtergespült.«
Stimmt, Kilian erinnerte sich. Er hatte Pia in den Armen eines fremden Mannes gesehen. »Aber vom Wein allein kann ich doch nicht so abgestürzt sein.«
»Das war ja
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