Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
dachte er, zum Schutz des Kleinen hinter ihm.
Die Stimme befahl die Spielregeln. »Du schaust nach vorne. Klar?«
»Kein Problem. Also, was kannst du mir zum Verbleib der Waffe sagen?«, fragte Heinlein.
»Der, der sie hatte, ist nicht mehr in der Stadt«, sagte die Stimme. »Er hat sich gleich nach der Sache auf dem Parkdeck zur Familie in den Süden verabschiedet. Du kannst ihn also nicht mehr kriegen.«
»Und die Waffe ist hier geblieben? Wieso?«
»Weil sie heiß war und Spuren hinterlassen würde. Der, der sie hatte, hat sie verkauft, bevor er sich auf die Reise machte.«
»Okay, an wen?«
Die Skateboarder kamen bedrohlich näher. Keine Armlänge entfernt, zogen sie an der Bank vorbei. Hart und laut bohrten sich die kleinen Räder in den Beton.
»Einen Namen habe ich nicht. Aber die Frau war ziemlich jung.«
Heinlein merkte auf. »Eine Frau?«
Also doch! Wenn nicht Sue, dann war es Marianne Endres, die dem Jungen die Waffe abgekauft hatte.
»Ja, sie hatte ein bisschen rumgefragt. Brauchte etwas Handliches, das aber auch sicher in der Anwendung wäre.«
»Die .38er?«
»Genau. Sie hat drei Lappen dafür bezahlt, zwanzig Schuss inklusive.«
»Beschreib mir die Frau. Wie hat sie ausgesehen?«
»Kann ich nicht sagen. Sie hat ’nen Schleier getragen, so wie es die Moslems tun oder …«
»Oder?«
»Unsere Alten haben sie noch. Diese mit Gold und Schmuck verzierten langen Kopftücher. Aber sie war keine von uns. Und das Kopftuch war falsch.«
»Wie, falsch?«
»Kein echtes Gold, die Steine und Verzierungen billige Glasperlen. Weiß der Henker, woher sie das Ding hatte.«
»Du meinst, so was wie aus einem Kostümverleih?«
»Möglich.«
Oder aus dem Kostümfundus eines Theaters, dachte Heinlein. »Wo habt ihr euch getroffen?«
»Das geht dich nichts an.«
»Was kannst du mir sonst zu der Frau sagen? Hat sie etwas Ausgefallenes getragen? War sie groß, klein, dick, dünn? Los, erzähl, bisher war unsere Unterhaltung etwas dürftig.«
Der Kleine wägte ab, wie weit er gehen konnte. Vor und hinter Heinlein kurvten die Skateboarder in einer beeindruckenden Geschwindigkeit.
»Sie war ziemlich schlank«, sagte die Stimme endlich.
»Ihre Hände sehr schön, wie die einer Prinzessin. Ich hab sie gesehen, als sie mir die Kohle gab.«
»Und ihr Gesicht? Wie sah sie aus?«
»Braune Augen, gepflegte Haut. Jung … ziemlich abgefahren.«
»Was heißt das? Wie abgefahren?«
»Na, modisch eben, hätte ich überhaupt nicht von ihr erwartet.«
Heinlein konnte seine Ungeduld kaum noch zügeln. Wären die Skateboarder nicht gewesen, die die Stimme vor einem Zugriff schützten, wäre er schon längst aufgestanden.
»Verdammt, jetzt sag, was meinst du mit abgefahren?«
»Lass mal sehen, was dir die Info wert ist.« Der Kleine pokerte. Wollte sehen, wie weit der Bulle für die Information gehen würde.
Heinlein schüttelte den Kopf. »Ich glaub, du siehst zu viel fern.«
»Dann vergiss es.«
Ein Pfiff beendete die Unterhaltung. Heinlein sprang auf, wollte sich die kleine Ratte schnappen. Er sah ihn davonrennen. Heinlein hinterher. Er kam aber nur ein paar Schritte weit. Ein Skater krachte ihm von hinten voll in die Beine, Heinlein stürzte hart auf den Beton. Der Kleine verschwand in einer Tordurchfahrt, die Skater hinter ihm.
Heinlein rappelte sich auf. Den Kleinen würde er sich später nochmal vorknöpfen. Doch jetzt galt es, die Tatverdächtigen aufs Revier zu holen.
*
»Frag ich mein beklommnes Herz, wer so Süßes hat bewegt, dass es in der Liebe schmerzt, immer sehnender sich regt: Ja, dann heißt es, in dies Herz hat Lindoro Brand gelegt.«
Kilian bekam eine Gänsehaut.
Er war nicht der Einzige, dem es so erging. Im Festsaal des Würzburger Rathauses, dem Wenzelssaal, stand er unter mehreren Dutzend geladener Gäste, die gekommen waren, um der Oberbürgermeisterin zum Geburtstag zu gratulieren. Sie stand in der vordersten Reihe mit einem Glas Champagner und hörte die Arie Una voce poco ja aus dem Barbier von Sevilla, meisterhaft intoniert von Aminta Gudjerez, unterstützt von einer kleinen Besetzung aus zwei Violinen, Cello und Querflöte.
Die Koloraturen, die Aminta dem Stück gab, schien sie direkt aus einem anderen Universum zu schöpfen, so leicht und virtuos sang sie die schwierige Arie. Allen Anwesenden war klar: Hier ging ein kommender Stern am internationalen Opernhimmel auf.
Der Beifall hielt lange an und mündete in Da-capo- Rufen.
Aminta nutzte die Gelegenheit. »Vielen Dank
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