Der Gesang der Maori
diejenigen, die sich hier niederlieÃen, vom Pazifik.
Katharina blieb einen Moment lang die Sprache weg.
»Das ist unglaublich!«, rief sie schlieÃlich. »Wenn ich hier wohnen
würde, gäbe es keinen Tag, an dem ich nicht ein paar Stunden auf das Meer
schauen würde. Oder wenigstens für ein paar Minuten.«
Matius Mutter lachte. »Das geht mir heute immer noch genauso. Wir
haben das Haus vor über zwanzig Jahren gebaut, damals ist es mir wie die
Erfüllung eines viel zu groÃen Traumes vorgekommen. Jetzt wohne ich schon so
lange hier, meine Kinder sind in diesen vier Wänden groà geworden, und ich kann
es an manchen Tagen immer noch nicht glauben, dass ich hier wohnen darf.«
Sie machte eine einladende Bewegung in Richtung des einfach
gedeckten Tisches. »Komm und setz dich, das Essen ist schon fertig.« Erst jetzt
merkte Katharina, wie hungrig sie war. Sie setzte sich und berührte unter dem
Tisch verstohlen Matius Knie. Er lächelte sie an, während er ihr die Speisen
erklärte.
»Das ist Hoki â ein wirklich leckerer Fisch, den sie in den USA unter dem hässlichen und vor allem irreführenden Namen
Delfin verkaufen. Soweit ich weiÃ, ist es aber eine Seehechtart ⦠Dazu gibtâs
SüÃkartoffeln, Zucchini und eine Gewürzpaste, bei der nur meine Mutter weiÃ,
was da eigentlich drin ist. Ich fürchte, sie wird ihr Geheimnis eines Tages mit
ins Grab nehmen, und ich muss dann für immer um sie weinen. Um die Gewürzpaste,
meine ich.« Beim letzten Satz machte sich ein lausbubenhaftes Grinsen auf
seinem Gesicht breit.
Seine Mutter knuffte ihm scherzhaft in die Seite. »Wenn du eines
Tages eine eigene Familie hast, dann werde ich deiner Frau schon erklären, wie
sie diese Paste zubereiten soll â¦Â«
Katharina nahm den ersten Bissen und verdrehte fast die Augen. Matiu
hatte nicht übertrieben, als er von den Kochkünsten seiner Mutter geschwärmt
hatte. Die süÃlichen Kartoffeln, das feste Fleisch des Fisches â und dazu die
grüne Paste, die nach der dunklen Wildnis der Regenwälder im Süden des Landes
schmeckte. »Für dieses Geheimnis würde es sich fast lohnen, dich zu heiraten,
Matiu!«, murmelte sie.
»Klar«, lachte er. »Wenn ich dereinst heiraten werde, dann nicht
wegen meines Charmes und meines liebreizenden Aussehens, sondern nur wegen der
Rezepte meiner Mutter.«
Aus der Nähe sah Katharina jetzt auch die vielen feinen Fältchen,
die sich rings um die Augen der Maori-Frau zogen. Und sogar in den langen,
schwarzen Locken zeigten sich einige silbern glänzende Fäden. Ihre schmale
Gestalt und ihre lebhaften Bewegungen täuschten zunächst über ihr Alter hinweg.
Ihre Augen glitzerten neugierig, als sie Katharina ins Visier nahm. »Jetzt, wo
du mir nicht mehr entkommen kannst, will ich alles wissen: Woher kommst du? Was
machst du? Wo hast du meinen Matiu kennengelernt? WeiÃt du eigentlich, dass er
noch nie ein Mädchen mit nach Hause gebracht hat? Ich bin fast ohnmächtig
geworden, als er mir erzählt hat, dass er Besuch mitbringt â¦Â«
»Du hättest mich umgebracht, wenn ich Besuch nach Kaikoura
mitgebracht hätte und nicht bei dir vorbeigekommen wäre â¦Â«, unterbrach Matiu
ihren Redeschwall mit einem verlegenen Lächeln in Katharinas Richtung. »Und
findest du es nicht reichlich unhöflich, dass du meinen Besuch so ausfragst?«
»Sie muss ja nicht antworten!«, entgegnete seine Mutter
selbstbewusst.
»Und es ist kein Problem, wirklich. Wer mir so köstliches Essen
auftischt, der darf eigentlich alles von mir wissen!«, lachte Katharina. »Die
meisten Fragen sind ja auch schnell beantwortet â¦Â« Sie fing an zu erzählen,
warum sie nach Neuseeland gekommen war, erzählte von ihrer Arbeit bei der Zeitschrift
â und musste dabei feststellen, dass diese Frau sich nicht mit einfachen
Antworten zufriedengab. Alles wollte sie ganz genau wissen â und als es drauÃen
längst dunkel war, servierte sie noch einen kräftigen, heiÃen Tee und
verabschiedete sich mit einem etwas überraschenden »Jetzt muss ich aber endlich
schlafen!« in Richtung ihres Schlafzimmers. Katharina sah ihr hinterher. Ohne
diese temperamentvolle, lebendige Frau wirkte das Wohnzimmer mit einem Schlag
leer und unbewohnt.
»Ist sie immer so?«, wollte sie von Matiu wissen.
»Und noch viel
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