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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Verkaufsraum auf. Durch die Glasscheibe sah er eine Menschenmenge,
die sich durch seine Gänge schob und die Regale und Kühltruhen bewunderte. Mehr
konnten sie nicht tun, die meisten Waren hatten bereits ihren Besitzer
gewechselt. Heute war die groß angekündigte Eröffnung von Fiona’s Foodmarket,
seit Tagen hatte er in der Presse und im Radio erklärt, was an seiner Idee so
neu und revolutionär war. Die Berichte waren samt und sonders begeistert
gewesen. »Kurze Wege«, »Alles unter einem Dach«, »Frisch gekühlt« und ähnlich
lauteten die Überschriften. In jedem Interview hatte er erläutert, was er
vorhatte – und immer darauf geachtet, dass man zwar seine Verkäuferinnen oder
den Verkaufsraum ablichtete, aber nicht ihn selbst. George Cavanagh sollte ihn
nicht finden.
    Wieder sah er durch das Fenster. Zwei Frau stritten sich um das
letzte Paket Butter, als sei es das letzte verbliebene Stück in ganz Neuseeland
…
    Â»Ich bin nicht der Konkurrent, sondern der Besitzer«, rief John in
das Telefon. »Und ich habe keine Ware mehr. Die Leute sollen morgen
wiederkommen, dann habe ich wieder mehr im Angebot als leere Regale. Das dürfen
Sie Ihren Hörern gerne sagen.« Damit legte er den Hörer auf. Langsam drehte er
sich um. Paikea war für diesen wichtigen Tag extra nach Christchurch gekommen.
Sie sah ihn mit einem merkwürdigen Glitzern in den Augen an.
    Â»Ich habe es gewusst, John Erhardt, ich habe es gewusst. Wenn du
wirklich für eine Idee brennst, dann kannst du alles erreichen …«
    Â»Jetzt lass mal gut sein«, winkte John ab. »Es könnte doch sein,
dass sie alle nur hier sind, weil sie unbedingt über den neuen Laden in der
Stadt reden wollen. Wer weiß, ob die alle morgen wiederkommen!«
    Â»Die kommen wieder!«, lachte Paikea und drückte seinen Arm. »Die
kommen alle wieder, du wirst schon sehen!«
    John beugte sich zu ihr herunter und küsste sie auf den Mund. »Bloß
weil du mein Glücksbringer bist …«
    Eine Frau klopfte an die Glasscheibe zu dem kleinen Büro. Vorsichtig
öffnete John. »Sie wünschen?«
    Â»Ich wollte fragen, ob Sie morgen schon wieder frisches Obst haben.
Ich würde so gerne bei Ihnen einkaufen, aber jetzt ist ja schon alles weg …
Wann muss ich denn hier sein?« Bittend sah sie John an. Der schüttelte verblüfft
den Kopf.
    Â»Sicher, alles ist nachbestellt, morgen früh sind alle Regale wieder
gefüllt.«
    Â»Dann ist ja gut!« Mit einem Lächeln eilte sie weiter.
    Paikea warf einen Blick auf die Uhr, die an der Wand hing. »Du musst
in ein paar Minuten schließen. Sollen wir irgendwo etwas essen gehen, um deinen
Triumph zu feiern?«
    Â»Nichts lieber als das!« John legte die Arme um sie und küsste sie
noch einmal hingebungsvoll. Sein Leben war nur durch sie wieder ins Lot
gekommen. Dieser Frau verdankte er einfach alles.
    Sie erwiderte seinen Kuss und zwinkerte ihm dann zu. »Ich muss erst
morgen zurück nach Kaikoura – wenn du also heute Nacht ein bisschen Zeit für
mich hast …«
    Â»Und wenn die Welt zusammenbrechen würde, ich hätte trotzdem Zeit
für dich!« John streichelte ihr über den Rücken und war wie immer ein bisschen
überrascht, wie klein und schmal sie eigentlich war.
    Nachdem sie mit einiger Mühe – und der Hilfe der beiden
Verkäuferinnen – die letzten Gäste aus dem Geschäft getrieben hatten, schloss
John voller Besitzerstolz ab. Mit einem zufriedenen Lächeln sah er das
leuchtend blau-rote Schild »Fiona’s Foodmarket«, das über dem Eingang schwebte.
»Das könnte der Beginn von etwas Wunderbarem sein!«, murmelte er fast ein
bisschen zu sich selbst. Dann nahm er Paikeas Hand und ging mit ihr in das
kleine Restaurant in der Nähe der Kathedrale, das sie in den letzten Wochen und
Monaten am liebsten besucht hatten.
    John bestellte das Essen. Lamm, junge Kartoffeln, ein wenig Kürbis
und danach eine große Portion Pavlova – ein köstliches Gebilde aus süßem
Eischnee, Sahne und sehr vielen Früchten. Zu seiner Überraschung aß Paikea
heute allerdings nur wenige Bissen und sah immer wieder fahrig zur Tür oder
sinnend vor sich hin auf den Teller, auf dem sie ein paar Stücke Fleisch von
links nach rechts schob, ohne wirklich etwas davon zu essen. John gab ihr ein
bisschen Zeit – aber

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