Der Gesang der Maori
irgendwann nahm er ihre Hände in die seinen. »Du wirkst
abwesend, mein Schatz. Was ist denn los?«
»Meine Mutter kann dich nicht leiden!«, brach es aus Paikea hervor. »Nie
wird sie mir ihren Segen geben, nie!«
»Aber â das ist doch nichts Neues«, antwortete John ein wenig
verblüfft. »Warum ist es ausgerechnet heute ein Drama für dich?«
»Ich würde ihr so gerne sagen, was für einen tollen, erfolgreichen
Mann ich an meiner Seite habe â aber ich sehe sie fast vor mir, wie sie
verächtlich durch die Nase schnaubt, wenn ich dich auch nur erwähne!« Die
Tränen liefen Paikea jetzt über das Gesicht. »Ich bin so stolz auf dich, aber
ich kann es mit niemandem teilen!«
»Wir teilen es doch miteinander, das ist doch das Wichtigste.« John
versuchte, sie ein wenig zu beruhigen. Ohne Erfolg.
»Ist es nicht.« Paikea wischte trotzig ihre Tränen weg. »Ich meine,
das ist es natürlich schon, aber ich hätte so gerne meine Familie dabei â¦Â«
»Wo hättest du sie denn gerne dabei?« Er versuchte wirklich, sie zu
verstehen. Was war nur los? Er wollte heute Abend doch eigentlich nur feiern.
»Wenn â¦Â« Sie zögerte. Dann holte sie tief Luft und sah ihn aus ihren
groÃen, dunklen Augen an. »Ich â¦Â« Sie stockte.
»Was denn?« John wurde langsam ungeduldig.
»Wir bekommen ein Baby!« Mit einem trotzigen Ausdruck im Gesicht
wartete sie auf seine Reaktion.
»Bist du dir sicher?« Schon als er diesen Satz sagte, hätte John
sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Wenn Paikea so etwas sagte, dann war
sie sich garantiert sicher. Er beugte sich vor und küsste sie. »Lass uns
heiraten! Bald! Am besten morgen! Wie lange vorher muss man das Aufgebot
bestellen? Wann, denkst du, kommt das Baby? Und was wird es wohl? Junge oder
Mädchen? Wo wollen wir es aufwachsen lassen? Hier? In Kaikoura? Gibt es da denn
gute Schulen?«
Paikea beugte sich nach vorn und hielt ihm sanft mit einem
Zeigefinger den Mund zu. »Schhh«, lächelte sie, während ihr noch die Tränen auf
der Wange glitzerten. »Wir heiraten nicht. Nie. Nicht ohne den Segen meiner
Eltern.«
»Aber ⦠du wolltest doch nie eines dieser Maori-Mädchen werden, die
mit einem dicken Bauch herumlaufen und nicht verheiratet sind.« Er war überrascht.
»Meine Eltern lassen mir keine Wahl, sie zwingen mich zu dieser
Entscheidung.« Sie nickte, wie um ihre Worte noch einmal zu unterstreichen.
»Deswegen wird mein Kind ganz sicher meinen Namen tragen, egal ob es ein Junge
oder ein Mädchen ist.« Sie lächelte ihn an. »Denn das werden wir dann erst bei
der Geburt erfahren. Die übrigens irgendwann im Winter sein wird. Juni oder
Juli, denke ich.«
»Und ich habe überhaupt nichts dazu zu sagen?« John war überrascht.
Und ein bisschen ärgerlich. »Es ist immerhin auch mein Kind.«
»Sicher«, nickte Paikea. »Und ich möchte auch gerne, dass wir wie
eine Familie zusammenleben. Zumindest dann, wenn du in Kaikoura bist oder ich
dich in Christchurch besuche. Ich rechne damit, dass meine Mutter schon bald
ihren Widerstand aufgibt. Dann kannst du mich zu einer ehrbaren Frau machen.
Wenn du das dann noch willst.«
»Ich will! Du hast keine Ahnung, wie sehr ich will!«, rief John aus.
»Bloà nicht erst in ein paar Jahren. Es ist doch unser Leben, unser Glück â¦Â«
Wieder legte ihm Paikea den Zeigefinger auf die Lippen. »Jetzt sei
schon still. Du solltest dich wirklich nicht beschweren. Heute hat dein eigenes
Geschäft eine sensationelle Eröffnung hingelegt, du wirst Vater ⦠feier ein
bisschen!«
Er war noch nicht restlos überzeugt und nickte nur widerstrebend.
»Dann lass uns hier bezahlen und zu mir nach Hause gehen. Wir können noch ein
bisschen feiern â und ich muss morgen schon früh zu den GroÃmärkten. Ich muss
doch sehen, dass mein Geschäft weiterhin so gut läuft. Jetzt, wo ich für drei
verantwortlich bin.«
Arm in Arm liefen sie durch die dunklen StraÃen zu Johns kleiner
Wohnung. Als er den Schlüssel umdrehte, stand sie fast reglos neben ihm. Erst
als er das Licht anmachte, bemerkte er, dass sie still vor sich hin lächelte.
»Was ist?«, fragte er zärtlich.
»Ich bin glücklich«, sagte sie. »Und ich versuche gerade, mir diesen
Augenblick für schlechtere Zeiten
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