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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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einzuprägen.«
    Vorsichtig legte er ihr die Hand auf den Bauch. »Kann man ihn schon
spüren?«
    Â»Wenn es ein Mädchen ist, dann wird sie dafür sorgen, dass du in den
nächsten Wochen nichts von ihr spürst – weil sie nämlich beleidigt ist. Was
bringt dich auf die Idee, es könnte ein Junge sein?« Sie grinste ihn an.
    Â»Habe ich im Gespür«, erwiderte er.
    Â»Wenn bis jetzt hier irgendeiner unser Kind im Gespür hat, dann bin
ich das«, erklärte Paikea und beugte sich vor, um ihm einen langen Kuss zu geben.
»Und dieses Gefühl ist bis jetzt ziemlich ungenau … außer, dass ich gerade
jetzt unglaublich Lust auf ein Nusseis habe. Am liebsten mit einer Schokosoße.«
    Â»Das hättest du vielleicht im Restaurant gerade eben sagen sollen«,
murmelte John, während er noch einmal nach seiner Brieftasche griff. »Aber ich
glaube, in dem kleinen Restaurant vorn an der Ecke könnte ich noch Glück
haben.«
    Paikea legte sich auf dem Bett zurück und strahlte ihn an. »Ich
warte auf dich! Und bring doch eine große Portion. Ich glaube, unser Kind hat
tüchtig Hunger.«
    Als er wenige Minuten später die Wohnungstür wieder aufdrückte,
schlief Paikea tief und fest. Sie trug noch immer ihre Jeans und das weiße
Hemd, das sie sich am Morgen von ihm ausgeliehen hatte, lag auf der Seite und
war in etwa so zusammengerollt wie das Baby in ihrem Bauch. Auf ihren Lippen
lag ein leichtes Lächeln. John setzte sich auf den Bettrand und sah sie an. Es
mochte ja sein, dass sie ihn nicht heiraten wollte, aber sie war in seinen
Augen so sehr seine Frau, wie es nur irgendwie ging. Ein paar Gesetze könnten
an seinen Gefühlen nichts mehr ändern. Seine Gedanken wanderten in die Zukunft.
Wenn sein neuer Foodmarket wirklich so ein Erfolg war, dann musste er unbedingt
eine größere Wohnung für seine Familie suchen. Besser noch ein Haus. Am besten
ein Haus am Meer, in dem mehr als ein Kind Platz hätte. Mit diesem Gedanken
legte er sich zu Paikea auf das Bett, umschlang sie und schlief mit ihr im Arm,
die Hand auf ihrem Bauch, ein.
    Das Nusseis verschmolz derweil auf dem Nachttisch mit der Schokolade
zu einer braunen Masse, bei deren Anblick Paikea am nächsten Morgen sofort
schlecht wurde. Während John das Zeug in den Ausguss kippte, übergab sie sich
in eine Schüssel – und er wünschte sich vor allem ein Badezimmer in seinem Haus
am Meer, das er sicher einmal bauen würde …
    Â 
    Paikea wuchtete ihren
schweren Körper aus einem der Eisenbahnsessel und ging langsam zum Ausgang. Sie
fing allmählich an, ihre Trägheit und Behäbigkeit zu hassen. Der Arzt meinte,
dass sie sich wohl noch ein paar Wochen bis zur Geburt gedulden müsste – aber
sie fühlte sich längst wie einer der gewaltigen Wale vor der Küste von
Kaikoura. Heute hatte sie sich zum letzten Mal nach Christchurch aufgemacht –
danach wollte sie auf diese Reise lieber verzichten. Sie wollte ihr Kind
schließlich nicht in einem Abteil der Eisenbahn zur Welt bringen. Oder gar in
Christchurch, wo sie weder das Krankenhaus noch eine Hebamme kannte. Aber heute
… heute wollte sie noch einmal mit ihrem John ihre Liebe fern dem Gerede und
den bösen Blicken von Kaikoura genießen.
    Nicht wenige hielten sie für das
Flittchen eines reichen Pakeha aus Christchurch. Und zumindest mit dem Reichtum
hatten sie inzwischen auch fast recht. Fiona’s Foodmarket hatte sich innerhalb
von einem halben Jahr zu einer echten Institution entwickelt. Jeden Morgen
lieferten die Großhändler gewaltige Kisten an – und jeden Abend schloss John
die Türen zu einem fast leer gekauften Laden zu. Die Hausfrauen genossen die
kurzen Wege, den Parkplatz – aber vor allem war es wohl das Gefühl, eine echte
moderne Frau zu sein, die in einem Supermarkt wie in den USA einkaufen konnte.
Die Tüten, die John mit dem Aufdruck »FiFo« hatte drucken lassen, wurden zu
einem wahren Statussymbol in der Stadt. Frauen, die zeigen wollten, dass sie es
sich leisten konnten, liefen stolz mit den Taschen herum.
    Mühsam kletterte sie die steile Treppe aus der Eisenbahn – und
sofort entdeckte sie John, der mit besorgter Miene nach ihr Ausschau hielt. Aus
einem Grund, den sie noch nicht herausgefunden hatte, hatte er jedes Mal
panische Angst, wenn sie mit dem Zug fuhr – und er selbst schien in den ratternden
Abteilen

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