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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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seinen
Gesten und seiner Stimme, wenn er unsicher wurde. Und in Gegenwart dieser Frau
wirkte er so angespannt, wie sie ihn selten erlebt hatte.
    Die Frau ließ nicht locker. Hätte sie nicht so viel Wein oder Bier
oder was auch immer im Blut gehabt, dann hätte sie ihn vielleicht in Ruhe
gelassen – so aber beharrte sie auf ihrem Wissen, wie Betrunkene es nun einmal
gerne tun. »John! Du hast fast ein Jahr lang praktisch in der Milkbar gelebt!
Bei uns ist aus dir Landei ein echter Mann geworden …« Sie lachte ein sehr lautes
und scheußlich anzügliches Lachen.
    John griff nach Paikeas Hand. »Bitte lassen Sie mich und meine Frau
in Ruhe. Ich weiß nicht, wer Sie sind, und ich will es auch nicht wissen. Einen
guten Tag noch!« Damit wollte er Paikea in Richtung seines Supermarktes ziehen.
Doch Paikea zögerte. Es sah so aus, als ob diese Frau etwas aus Johns Jahren in
Auckland wissen würde. Und sie war sich nicht sicher, ob sie es hören wollte –
oder lieber davonlaufen sollte. Das winzige Zögern gab der Blondine die
Gelegenheit, sich wieder vor John aufzubauen. Sie fuhr ihm sogar mit einem
Finger über die Wange.
    Â»Erinnerst du dich nicht? Die Nacht auf der Rennbahn? Ich wette, das
war dein erstes Mal, so besoffen, wie du warst. Und seither bist du nie wieder
bei uns aufgetaucht. War vielleicht auch besser so, der Tag auf der Rennbahn
war der letzte der leuchtenden, großartigen Tage unserer Gang … Frederick, der
Idiot, hat wirklich alles kaputt gemacht.«
    Paikea spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. Rennbahn?
Jahrelang hatte sie zusammen mit den anderen Maori-Frauen den Unrat der Weißen
nach den Renntagen weggeräumt. War ihr friedliebender und ruhiger John etwa bei
diesem wettsüchtigen Mob gewesen? Und dann erst die Paare, die sie so oft am
nächsten Morgen aus dem leider allzu bekannten Versteck unter der Tribüne
aufgescheucht hatte …
    Â»Mein erstes Mal geht Sie überhaupt nichts an!«, wehrte John sich.
Erneut versuchte er, sich an der Frau vorbeizuschieben. »Ich kenne Sie nicht,
und ich will Sie auch nicht kennen. Komm, Paikea!«
    Endlich trat die Frau zur Seite. »Bist jetzt wohl ein Spießer
geworden!«, höhnte sie. »Dann werde mal schön glücklich mit deinem
Maori-Flittchen. Wenn das alles ist, was du jetzt noch brauchst, kann ich
allerdings wirklich nicht verstehen, warum du mich so lange verschmäht hast.
Trottel!«
    Sie spuckte das letzte Wort fast aus, drehte sich um und stolzierte
auf ihren hohen Absätzen wenig elegant über den Parkplatz.
    Paikea sah ihr einen Moment lang hinterher, dann wandte sie ihren
Blick dem Mann an ihrer Seite zu. Der war unter seiner Bräune bleich geworden,
ein Schweißtropfen rann von seiner Schläfe herab. Er wich ihrem Blick aus.
    Â»Was für eine besoffene Kuh«, kommentierte er schließlich, nahm
Paikeas Hand und wollte sie zum Eingang des Supermarktes ziehen. Sie sträubte
sich.
    Â»Verkaufe mich nicht für dämlich, John Erhardt!«, erklärte sie mit
einem drohenden Unterton. »Diese Frau kannte deinen Namen. Und ich kenne dich
gut genug, um zu wissen, dass du gelogen hast. Du kennst diese Maureen.«
    Â»Wie kannst du …«, versuchte John ein letztes Mal auszuweichen. Dann
sah er den drohenden Ausdruck in Paikeas Gesicht und schüttelte den Kopf. »Es
war eine dunkle, wilde Zeit in meinem Leben, mit der ich abgeschlossen habe.
Ich wollte dich damit nicht belasten.« Er merkte selbst, wie lahm seine
Entschuldigung klang.
    Sie runzelte die Stirn. »Du hast zu dieser Milkbar-Gang gehört? Ist
da nicht ein Mädchen ums Leben gekommen? Das war doch in den Nachrichten, damals
…«
    Â»Sharon. Sie hieß Sharon.« Die wenigen Worte konnte John nur
flüstern. »Und ich hatte damit nichts zu tun, du musst mir glauben. Ich war an
diesem Tag gar nicht in der Milkbar …«
    Â»Reines Glück also, was?« Paikeas Stimme klang bitter. »Und das
andere, was diese Maureen behauptet hat? Dass du mit ihr zum ersten Mal Sex
hattest? Auf der Rennbahn? Ich erinnere mich genau, wie oft ich beim Putzen die
Pärchen unter der Tribüne aufgescheucht habe. Die haben sich da im Dreck
gewälzt wie die Tiere.« Sie runzelte die Stirn und musterte ihn genauer. »Ich
glaube, ich erinnere mich sogar an dich. Da war ein gut gebauter, blonder Mann,
völlig verkatert und halb

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