Der Gesang der Maori
ihr Retter sein, ich weià es!«
John umarmte sie und hielt sie fest in seinen Armen. Es schien eine
Ewigkeit zu dauern, bis die beiden sich voneinander lösten. John fasste sich
als Erster: »Und jetzt? Wie geht es bei so einer Transplantation weiter? Wann
muss ich ins Krankenhaus? Morgen?«
Sina lächelte. »Nein. Ab morgen wird Ava vorbereitet. Sie kommt in
eine Isolationseinheit, und dann werden mit Bestrahlungen und Chemotherapie
alle blutbildenden Zellen abgetötet. In dieser Zeit hat sie quasi kein
Immunsystem, selbst ein eigentlich völlig harmloser Schnupfenvirus würde sie
umbringen. Das dauert etwa vierzehn Tage. Erst dann kommst du ins Spiel. Wir
entnehmen deine Stammzellen, und innerhalb von achtundvierzig Stunden bekommt
Ava sie mit einer Infusion verabreicht.«
»Wie schnell wissen wir, ob die Behandlung Erfolg hat?«, wollte John
wissen.
Sina seufzte. »Erst nach zwei bis vier Wochen. Wenn die Zahl der
Blutplättchen steigt, dann wissen wir, dass die neuen Stammzellen ihre Arbeit
aufgenommen haben.«
»Es kann also noch sechs Wochen dauern?«, vergewisserte John sich.
Sina nickte. Und John lachte ein wenig. »Sieht so aus, als ob sich
unsere Familien noch gut kennenlernen würden â¦Â«
CHRISTCHURCH, 1999
21.
»Ist er jetzt fertig?«
Neugierig spähte Matiu über Katharinas Schulter auf den Bildschirm ihres Laptops.
Sie grinste. »Tu nicht so, als ob du auch nur irgendetwas lesen könntest. Aber
wenn du dich gut benimmst, dann lese ich ihn dir vor und übersetze alles!«
Matiu nickte ernsthaft und lieà sich
auf die bequeme Couch in Brandons Arbeitszimmer fallen. Hierher hatte Katharina
sich in den letzten Tagen zurückgezogen und an ihrem Artikel über die Dreharbeiten
zu »Der Herr der Ringe« geschrieben. Jetzt übersetzte sie Matiu den kompletten
Text über die begrasten Erdhügel der Hobbits, die Leere und Verzweiflung oben
am Ruapehu und die Weite der Canterbury Plains, durch die die Reiter von Rohan
galoppierten. Sie beschrieb die Hingabe der Mitarbeiter und die Schönheit der
Natur, die aussah, als entstamme sie einer Fantasy-Welt. Als sie endlich an das
Ende gekommen war, sah sie Matiu neugierig an.
»Und, wie hat er dir gefallen?«
Er schwieg einen Moment lang. Dann strich er ihr mit dem Handrücken
sanft über den Oberschenkel. »Der Artikel ist perfekt, genauso wie ich ihn von
dir erwartet habe. Aber er ist ⦠fertig. Und damit hast du eigentlich keinen
Grund mehr, hier in Neuseeland zu bleiben.« Er sah ihr in die Augen. »Wann
verlässt du mich, Katharina? Ich meine, ich weiÃ, dass du irgendwann gehen
musst â aber ich versuche, mich darauf einzustellen.«
Katharina speicherte den Artikel ab und schloss ihren Laptop. Auch
sie war mit einem Mal ernst geworden. Sie sah Matiu lange ins Gesicht, musterte
seinen ständig lächelnden Mund, die dicken, schwarzen Haare und den leichten
Sonnenbrand auf der Nase. Sie beugte sich vor und fing an, ihn zu küssen. Leise
murmelte sie dabei in sein Haar: »Wie ernst ist es dir, Matiu? Ernst genug für
etwas GroÃes?«
Er nahm sie an den Schultern, hielt sie auf Armeslänge von sich
entfernt und sah ihr in die Augen. Sanft strich er mit seinem Zeigefinger über
ihre Oberlippe. »Mir war es noch nie zuvor so ernst in meinem Leben. Wenn du
etwas GroÃes daraus werden lassen willst â dann bin ich dabei!«
Statt einer Antwort küsste sie ihn noch einmal. Erst vorsichtig auf
die Lippen, dann wurden ihre Küsse drängender, und ihre Hand wanderte
allmählich unter sein altes, ausgewaschenes T-Shirt.
Immer wieder war sie überrascht, wie viele Muskeln Matiu hatte â immerhin hatte
er eigentlich einen Schreibtischjob. Auch seine Hand glitt über ihren Rücken, kämpfte
kurz und erfolgreich mit dem BH-Verschluss, schlieÃlich
umspielten seine Finger ihre Brustwarzen, und ihr Atem wurde schneller. Sie
fing an, an der Schnalle seines Gürtels zu nesteln, als es plötzlich laut und
heftig an der Tür zu dem kleinen Arbeitszimmer klopfte.
»Kommt sofort mit ins Krankenhaus! Sina hat angerufen, wir sollen
alle kommen!« Brandons Stimme klang aufgeregt.
Matiu seufzte und richtete sich wieder auf. »Ich hoffe, er hat gute
Neuigkeiten â¦Â«, grinste er.
»Bestimmt â ich kann mir nicht vorstellen, dass Sina uns alle ins
Krankenhaus scheucht, nur um uns zu sagen, dass
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