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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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beenden.
    Â»Auf jeden Fall kein Gespräch mit Ihnen!«, war die einzige Antwort,
die John zu hören bekam, bevor sie mit ihren lauten Absätzen davonklackerte. Es
klang fast wie Salutschüsse, fand John. Er sah ihrem wippenden Pferdeschwanz
verblüfft hinterher. Offensichtlich hatten die Menschen in Hamburg eine andere
Vorstellung von Höflichkeit als er.
    Die Dame hinter dem Informationsschalter war da hilfreicher. »Die
Treppe in den Keller, dann den Gang nach links und die dritte Tür rechts«,
erklärte sie ihm mit knappem Befehlston und nickte auch gleich zum Abschied.
    Nervös machte John sich auf den Weg nach unten. Immerhin damit hatte
die Pferdeschwanzträgerin recht gehabt. Würde sich jetzt das Geheimnis um seine
Mutter klären? Vorsichtig öffnete er die Tür im Keller, neben der ein kleines
Schild mit der Aufschrift »Meldebehörde – Archiv« stand. Er hatte einen
kleinen, muffigen Raum erwartet. Stattdessen öffnete sich die Tür zu einem hohen
Saal, in dem stählerne Regale Unmengen von Ordnern und Karteikarten
beherbergten. Kein Mensch war hier unten zu sehen, es roch nach altem Papier
und Staub.
    John runzelte die Stirn und fing an, sich mit dem Archivsystem
vertraut zu machen. Die Kartei war alphabetisch geordnet. Zumindest sah es so
aus. Er fing an, unter »D« zu suchen. Fehlanzeige. Es gab keine Ava Denson.
Zumindest nicht in diesem Archiv. Also Erhardt. Der Name füllte ganz allein
einen Schrank. Keine Ava. John fühlte sich, als ob ihm der Boden unter den
Füßen weggezogen würde. Was, wenn er seine Mutter nicht finden würde? Er hielt
inne und sah nachdenklich auf seine Hände, die ratlos auf den Karteikarten
lagen. Ava. Eigentlich ein ziemlich extravaganter Name für eine Frau, deren
Leben in Trümmern lag. Ob sie überhaupt wieder Kontakt zu ihren Eltern
aufgenommen hatte? Immerhin musste sie damit zugeben, dass sie in Neuseeland
gescheitert war. Die großen hochfliegenden Träume und Ideen von einem besseren
Leben am anderen Ende der Welt – alles nur vergeudete Lebensjahre. Irgendwo in
diesen alten Karteikästen waren wahrscheinlich sogar ihre Eltern verzeichnet.
Seine Großeltern. Aber wie sollte er die nur finden?
    Nach einem tiefen Atemzug suchte er die allererste »Erhardt«-Karte
heraus. Achim. Geboren 1922. Der kam schon einmal nicht infrage.
Systematisch arbeitete John sich durch die alten Namen und Geburtsdaten durch.
Adolf. Zu jung. Berta. Zu alt. Brunhilde. Schrecklicher Name. Charlotte.
Christian. Immer wieder Geburtsdaten und Namen von in der gleichen Wohnung
gemeldeten Kindern, die einfach nicht auf Ava passen konnten. Er hoffte auf
eine Eingebung, eine Idee. Nichts. Namen. Straßen. Jede Menge Schicksale,
keines davon hatte etwas mit seinem zu tun.
    Eva.
    John wollte schon weiterblättern, als er plötzlich innehielt. Was,
wenn ihr eigener Name nicht mehr zu ihrem Leben gepasst hatte? Er nahm die
Karte noch einmal in die Hand und studierte sie genauer. Sie sah aus wie alle
anderen, vergilbt, handschriftlich geführt. Fein säuberlich stand da »Eva Erhardt,
geb. 3.
Oktober 1909
in der Hansestadt Hamburg, ledig«. Alles passte. Bis auf die Sache mit dem Ledigsein.
Aber da konnte es ja durchaus sein, dass Ava beschlossen hatte, die
Erinnerungen an ihre Ehe und ihren Mann gemeinsam mit dem alten Vornamen zu begraben.
Immerhin bestand eine winzige Chance, dass die Frau, die sich hinter dieser
schlichten Eintragung verbarg, seine Mutter war. Sorgfältig schrieb John die
Adresse ab, unter der diese Eva sich gemeldet hatte.
    Pension Schöler, Waterstr. 24, Hamburg-Altona.
    Anschließend ging er noch einmal alle Erhardts durch, fand aber
keinen weiteren Eintrag, der auch nur entfernt gepasst hätte. Dann noch einmal
die Suche nach Denson – es hatte sich in den letzten Stunden keine neue
Karteikarte in das alte Archiv geschmuggelt. Vielleicht Cavanagh, wenn sie aus
einem merkwürdigen Grund heraus diesen Namen angenommen hätte? Wieder nichts.
Es blieb ihm eine einzige Adresse, die er sorgfältig in seine Tasche steckte,
als er am späten Nachmittag das Meldeamt verließ. Unwillkürlich sah er sich in
der Eingangshalle noch einmal nach der jungen Frau mit dem Pferdeschwanz um.
Sie hatte auf ihn in ihrer abweisenden Art so verletzt gewirkt. Aber er konnte
weder ihre klappernden Absätze hören, noch sah er irgendwo den Pferdeschwanz.

HAMBURG,

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