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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Führerhaus eines Lasters, der
nach Berlin fuhr. Frau Heidekamp hatte ihm den Fahrer vermittelt – es war der
Sohn einer Bekannten. Dann hatte sie ihm noch reichlich Kleidung von ihrem Sohn
eingesteckt, sich geweigert, irgendwelche Miete zu nehmen, und ihm schließlich
viel Glück für seine Suche gewünscht. Als John sich verabschiedete, hatte sie
Tränen in den Augen. John fühlte eine Welle des Mitleids mit der Frau. Es würde
noch lange dauern, bis sie den Verlust ihres Sohnes überwunden hätte.
    Der Laster fuhr nach Westberlin. Quer durch die DDR, den neuen sozialistischen Staat. John sah aus dem Fenster.
Felder, Bäume, Wälder. Sah nicht anders aus als Westdeutschland und war doch
ein ganz anderes Land. Er hing seinen Gedanken nach und war dankbar, dass der Lkw-Fahrer ein schweigsamer Typ war, der von ihm kein
Gespräch wollte. Es gab Gerüchte, dass diese Transitreisen durch die DDR schon bald streng reglementiert werden sollten. Er war
froh, dass das im Moment noch problemlos klappte – sein neuseeländischer Pass
sorgte für genügend Aufsehen.
    Es war Abend, als sie endlich die Stadtgrenze erreichten. Sein
Fahrer sah ihn an. »Wo willst du denn hin?« Fast der längste Satz, der ihm in
der ganzen Zeit über die Lippen gekommen war.
    John zuckte verlegen mit den Achseln. »Keine Ahnung. Wo kann man
hier günstig übernachten?«
    Â»Wenn du willst, dann kannst du einfach hier mit mir auf der
Ladefläche übernachten. Ich habe ein paar Wolldecken, jetzt im April kann es
noch ziemlich kalt werden. Du kannst mir dann morgen beim Abladen helfen, dann
sind wir quitt. In Ordnung?«
    John nickte. Er war dankbar, dass er nicht schon wieder eine Pension
oder etwas Ähnliches suchen musste. In einer Ecke der Ladefläche machte er es
sich unter den rauen Decken, so gut es ging, bequem. Er schlief tief und
traumlos. Morgen schon wollte er sich auf die Suche nach dem richtigen
Krankenhaus machen.
    Als er wieder aufwachte, schlief sein Reisegefährte noch. John war
ungeduldig. Er wollte jetzt nicht mehr warten, bis der schweigsame Geselle
endlich aufwachte. Er klemmte ihm einen Zettel mit einem schlichten »Danke!«
hinter den Scheibenwischer, schulterte seinen Seesack und machte sich in
Richtung Innenstadt auf. Sein schlechtes Gewissen wegen des Abladens der Ware
hielt sich in Grenzen – es waren schließlich nur ein paar Kisten, die ausgeliefert
werden sollten.
    Am frühen Morgen zeigte Berlin sich mit einem verschlafenen Gesicht.
Männer und Frauen hasteten zur Arbeit, in den Kneipen wurden bei hochgestellten
Stühlen die Böden aufgewischt. Eine Bäckerei öffnete gerade ihre Türen, und
John erstand eine Tüte mit noch ofenwarmen Schrippen, in die er heißhungrig
hineinbiss. Als er einen Ladenbesitzer sah, der gerade den Bürgersteig vor
seinem Laden fegte, hielt er an und fragte nach Krankenhäusern, die es schon
vor dem Krieg gegeben hatte. Der Mann zuckte mit den Schultern. »Die
Virchow-Klinik, die Charité, das Martin-Luther, das Hedwig-Krankenhaus … da
gibt es so einige.«
    Geduldig fragte John weiter nach dem nächstgelegenen – und machte
sich dann auf den Weg zum St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin-Mitte. Irgendwo
musste er ja anfangen …
    Den Tag verbrachte er in Gängen, die nach Desinfektionsmitteln
rochen, mit übermüdeten und freundlichen oder genervten Krankenschwestern, die
sich allesamt nicht an die Zeit vor dem Krieg erinnerten und die auch immer
wieder betonten, dass zum Ende des Krieges ja nur noch zwei Krankenhäuser
überhaupt ordentlich funktioniert hätten – das St. Hedwig und die Charité. Bei
denen mochte es noch alte Personalakten geben – in allen anderen waren die ganz
sicher spätestens Anfang 1945 verbrannt.
    Entmutigt machte John sich am Abend zum Martin-Luther-Krankenhaus
auf. Es war das letzte auf seiner Liste, und er wusste längst, dass auch hier
der Krieg grausam gewütet hatte. Vor ihm tauchte ein modernes Gebäude auf. Viel
Glas, die Eingangshalle lichtdurchflutet. Am Empfang saß eine streng blickende
Frau mit weißem Haar und fest nach hinten gezogenem Knoten, aus dem nicht ein
einziges Haar entkommen konnte. Sie sah ihm über den Rand ihrer Brille hinweg
entgegen. John näherte sich und setzte ein Lächeln auf, von dem er nur hoffen
konnte, dass es gewinnend und freundlich war.
    Â»Ich weiß nicht, ob Sie mir

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