Der Gesang der Maori
von Hähnchenfleisch auf einem Spieà über Holzkohle gegrillt
wurden. Dazu gab es eine bräunliche SoÃe, Chilis und etwas Reis.
Kurz entschlossen deutete Inge auf die SpieÃe, zeigte mit den
Fingern, dass sie gerne zehn Stück davon haben wollte â und fand sich einen
Augenblick später mit einem groÃen grünen Palmenblatt, auf dem die SpieÃe
lagen, wieder. Dazu zwei kleine Schüsselchen, in denen die SoÃen und der Reis
waren. Ein kleiner Tisch mit einer schmalen Holzbank war wohl der Ort, an dem
sich die Einheimischen zu ihrem schnellen Essen niederlieÃen. Inge machte eine
einladende Bewegung: »Komm, wir probieren das jetzt einfach! An Hähnchen kann
ja so viel nicht verkehrt sein.«
Einen Augenblick später waren beide begeistert. Das Hühnchen war
saftig und gegrillt, und die braune SoÃe erwies sich als scharf und schmeckte
überraschenderweise kräftig nach Erdnuss. Inge strahlte nach dem zweiten Bissen
über das ganze Gesicht. »Ich kann nicht glauben, wie lecker das ist ⦠man
sollte sofort ein Restaurant aufmachen â und würde wahrscheinlich ein Vermögen
verdienen!«
»Vor allem mit dem Curry aus Schlangenfleisch«, entgegnete John
trocken. »Unglücklicherweise hat Neuseeland keine Schlangen â¦Â«
»Nicht?« Inge sah überrascht hoch. »Wie kommt das? Habt ihr schon
alle getötet?«
John lachte. »Nein. In Neuseeland gibt es nur Vögel, die nicht
fliegen können, und Insekten. Säugetiere gab es nicht â bis die Europäer kamen
und auf ihren Schiffen Katzen, Hunde und Ratten ins Land brachten. Seitdem geht
es den Vögeln zunehmend an den Kragen, und die Ratten gedeihen. Bedauerlich ist
das.« Er sah sie nachdenklich an. »Aber wie kommt es, dass du von einem Land,
in das du auswandern willst, so wenig weiÃt? Hast du dir die Sache mit
Neuseeland nicht lange überlegt?«
Nachdenklich biss Inge von ihrem Spieà ab. »Wie ich schon sagte:
Eigentlich nicht. Ich habe nicht einmal ein einziges Buch über Neuseeland
gelesen. Es gab das Angebot, ich habe keine ordentliche Zukunft für mich in
Deutschland gesehen â und ich wollte einfach mehr Freiheit. AuÃerdem wollte ich
endlich weg von zu Hause. Mein Vater schimpft immer nur, dass ich zu wenig Geld
nach Hause bringe, meine Schwestern wollen von mir bloà noch mehr Kleider
genäht bekommen â und die netten Männer sind wahrscheinlich alle im Krieg
gefallen oder schon verheiratet. Ich fand die Idee eines Neustarts bestechend
groÃartig. Aber hätte auf dem Plakat Australien oder Argentinien gestanden,
hätte ich mich wahrscheinlich dort beworben.« Sie zuckte etwas verlegen mit den
Achseln. »Ich wollte weg, da war das Ziel erst einmal zweitrangig. Tut mir leid
für dich und deine Heimat â aber es war eher eine Entscheidung gegen
Deutschland als für Neuseeland. Aber die Sache mit den fehlenden Schlangen
klingt schon einmal so, als ob ich mich wohlfühlen könnte. Schlangen kann ich
nämlich überhaupt nicht leiden.« Sie sah grinsend zu den dampfenden Töpfen
hinüber. »Weder in einem Curry noch in meinem Garten â¦Â«
»Du hättest es wirklich schlechter treffen können, das kannst du mir
glauben«, erklärte John ernsthaft. »Neuseeland ist voller Pioniere, alle
glauben daran, dass sie mit einer Idee den ganz groÃen Reichtum erringen
können. Also: Wer weià ⦠vielleicht funktionieren deine Erdnuss-SpieÃchen auch
in Auckland oder Christchurch. Womöglich ist das die nächste groÃe Idee, auf
die alle gewartet haben?«
Inge ging auf seine letzte Bemerkung nicht weiter ein. Stattdessen
sah sie ihm offen in die Augen. »Aber wenn wir schon bei den groÃen Wahrheiten
sind: Was genau hat dich denn nach Deutschland verschlagen? Und was hast du in
diesem Archiv gesucht?«
John zögerte. Er hatte mit seiner Vergangenheit abgeschlossen und
entschieden, dass er seine Mutter endgültig vergessen wollte â warum sollte er
jetzt also eine fremde Frau in sein Geheimnis einweihen? Er zuckte beiläufig
mit den Achseln. »Ich wollte einfach einmal sehen, woher meine Familie
eigentlich stammt. Und neben schottischen Wurzeln habe ich angeblich eben auch
deutsche â Hamburger Wurzeln, um genau zu sein. Da wollte ich in dem Archiv
einmal nachforschen, ob wohl noch jemand lebt, den ich besuchen könnte.«
»Und â
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