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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Erstes abgewöhnen, von ›eurer‹ Queen zu sprechen. Ab sofort
ist sie auch deine Königin!«
    Â»Das sage ich erst, wenn ich den richtigen Pass in der Hand halte«,
entgegnete Inge. »Bis dahin muss es ihr reichen, wenn ich ihr heute ein
bisschen zujubele!«
    Aufgekratzt machten sie sich auf den Weg zum Hafen. So leer Auckland
am Vorabend gewirkt hatte – jetzt war es brechend voll, jeder, der in Auckland
lebte und sich irgendwie vorwärts bewegen konnte, war auf dem Weg zum Hafen, um
das Landemanöver der SS Gothic nicht zu verpassen.
Als Inge und John endlich ankamen, war das schneeweiß gestrichene
Passagierschiff nur noch wenige Meter von der Hafenmauer entfernt. John konnte
eine schmale, weiß gekleidete Gestalt sehen, die schon an der Gangway
bereitstand und allen Zuschauern mit einem freundlichen Lächeln entgegenwinkte.
Die junge Königin Elizabeth schien sich in ihrer Rolle ziemlich wohlzufühlen –
aber John kam sich Lichtjahre von ihr entfernt vor. Gewiss, sie war das
Oberhaupt seiner Heimat – aber hatte sicher keine Ahnung von dem, was hier
wirklich wichtig war und was die Menschen jeden Tag bewegte. Der Menge rings um
ihn waren diese Gedanken offensichtlich fremd: Unter frenetischem Lärm
schwenkten sie ihre Fähnchen, winkten mit Hüten und jubelten, so laut es ihre
Lungen eben hergaben. So etwas hatte John noch nie gehört – und Elizabeth
erschien ihm bei so viel Jubel nicht im Geringsten eingeschüchtert.
    Minuten später lief sie über die Gangway und ging an der winkenden,
jubelnden und Fähnchen schwingenden Menge vorbei zu einem wartenden Auto und
stieg ein. Ihr Gatte bliebe die ganze Zeit wenige Schritte hinter ihr, was John
sehr merkwürdig fand. Das figurbetonte weiße Kleid, der kleine weiße Hut und
der weit schwingende Rock ließen die Königin dabei sehr jung aussehen. Unter
dem Geschrei der Menge verschwand das Auto – wie einige Zuschauer rings umher
ihnen sofort erklärten: Es ging zu einem Paradeplatz, ganz in der Nähe des
Hafens. John sah Inge schulterzuckend an. »Ich fürchte, das ist alles, was wir
heute von ihr zu sehen bekommen! Wir sollten unsere Sachen zusammenpacken und
uns in Richtung Bahnhof aufmachen. Oder sollen wir uns noch die Parade ansehen?«
    Inge schüttelte nur den Kopf. Ihr Gesicht sah merkwürdig ernst aus.
»So hat man in Deutschland einst Adolf Hitler zugejubelt. Seitdem ich das als
Kind mitbekommen habe – und dann später erfuhr, was wirklich passiert ist,
fühle ich mich bei so viel Jubel nicht mehr wohl.«
    Â»Das ist das Schöne an unserer Queen«, stellte John leichthin fest.
»Wir können ihr zujubeln, und sie hat sonst wenig oder nichts zu sagen. Ein
sehr angenehmes Arrangement für alle Beteiligten …«
    Sie bogen in eine ruhigere Nebenstraße ein. Es war inzwischen
richtig warm geworden, John zog seine Jacke aus und legte sie sich lässig über
die Schulter. In der Pension hielten sie sich nicht mehr lange auf – sie waren
ja auch die Einzigen, die sich überhaupt von dem Trubel um die Ankunft der
jungen Königin etwas zurückgezogen hatten. Inge stellte ihren Koffer auf den
Flur und warf einen letzten Blick in die leeren Räume. »Wahrscheinlich werde
ich niemals eingebürgert, weil ich heute zu wenig gejubelt habe!«, scherzte sie
dabei.
    Im Bahnhof wartete der Zug schon auf seine Gäste. Eine große,
schwarze Lokomotive mit einem Schild, auf dem »Ka949« aufgemalt war,
stand mit dem Kohlewagen bereit. Dahinter die Wagen der zweiten Klasse. Alle
Wagen der ersten Klasse waren ganz hinten. Kein Wunder: So bekamen die
Passagiere weniger von dem Dreck und dem Funkenflug des Kohlefeuers mit.
    Zu ihrer Überraschung waren alle Waggons bereits gut gefüllt.
Offensichtlich wollten viele Menschen kurz vor Weihnachten zurück in ihre
Heimat fahren. Erst im letzten Wagen vor der ersten Klasse fanden sie noch zwei
Sitzplätze. John bot Inge den Platz am Fenster an.
    Â»Du möchtest doch sicher etwas von deiner neuen Heimat sehen!«,
erklärte er.
    Â»Das ist wirklich nett von dir!«, bedankte Inge sich, während John
ihren Koffer in ein Gepäcknetz wuchtete. »Du hast keine Ahnung, wie gespannt
ich jetzt bin!« Wenig später setzte sich der Zug langsam in Richtung Süden in
Bewegung. Die Gleise schlängelten sich entlang von Flüssen, vorbei an dunklen
Wäldern und

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