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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Brötchen,
das sie am Morgen verschmäht hatte, und schließlich auch den warmen Pullover,
den sie zur Sicherheit zu den anderen Sachen gestopft hatte. Eine Regel in den
deutschen Bergen war schließlich, dass man immer auf einen Wettersturz gefasst
sein musste. Sie nahm den Pullover, schob ihn unter Matius Kopf und nahm dann
seine Wasserflasche. Vorsichtig benetzte sie seine Lippen. Er stöhnte leise
auf. Die Augenlider flatterten, dann schlug er sie mühsam auf und sah sie einen
Moment lang verwirrt an.
    Â»Wo …«, murmelte er und richtete sich langsam auf. »Au!« Mit
schmerzverzerrter Miene griff er sich an seinen Fuß.
    Â»Du bist abgerutscht und ein ziemlich weites Stück
heruntergefallen«, erklärte Katharina ihm und deutete nach oben an den Ort, an
dem sie vor wenigen Minuten zu zweit gestanden hatten. »Was tut dir denn weh?«
    Â»Der Kopf«, stöhnte Matiu. »Und mein Knöchel. Den muss ich mir
ordentlich verstaucht haben.«
    Suchend sah Katharina sich um. Das Buschwerk fing einige Hundert
Meter entfernt an, aber mitten auf dem Geröllfeld gab es keinen Schutz vor der
Nachmittagssonne. Ein leichter Wind kam auf und strich kühl über die Seite des
Vulkans. Sie seufzte. Eine geschützte Stelle war von hier aus nur schwer zu
erreichen.
    Matiu nestelte an seinen Schnürsenkeln. »Ich sollte die Stiefel
ausziehen, bevor der Knöchel zu dick anschwillt. Sonst müssen wir ihn auch noch
aufschneiden.«
    Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, den Schuh auszuziehen. Matiu
rollte seinen Socken nach unten und zog scharf die Luft ein. Der Knöchel war
jetzt schon dick und fing an, blau zu werden. »Wenn der nur verstaucht ist,
dann hast du sogar Glück!«, kommentierte Katharina. »Ich kenne mich da zwar
nicht aus, aber das könnte auch ein Bruch sein …«
    Mit einem etwas mühsamen Lachen zeigte Matiu auf Katharinas
Sneakers. »Nicht zu fassen: Ich bin der mit den vernünftigen Schuhen, und ich
liege hier mit kaputtem Knöchel herum. Und du mit deinen Tretern für dumme
Touristen kommst davon. Ich muss die Schuhfirma für meine Bergstiefel verklagen!«
    Â»Bevor du das tust, sollten wir lieber schauen, dass wir einen
geschützteren Platz finden«, erklärte Katharina. Ausnahmsweise war ihr einmal
nicht nach Scherzen zumute. »Kannst du da rüberhumpeln, wenn ich dir helfe?«
    Â»Ich kann es probieren«, antwortete Matiu und versuchte mit Mühe,
auf die Beine zu kommen. Mit beiden Rucksäcken auf dem Rücken gab Katharina ihm
etwas Halt.
    Rutschend, fluchend und stöhnend durchquerten sie das Geröllfeld,
bis sie die Sträucher erreichten. Schwer ließ Matiu sich fallen. »Weiter komme
ich heute nicht mehr!«, verkündete er.
    Die Schatten auf der Bergwand waren schon lang, am Horizont versank
die Sonne. »Das können wir sowieso vergessen«, meinte Katharina. »Noch eine
halbe Stunde, und es wird dunkel. Ich denke nicht, dass wir den Pfad vorher
erreichen – und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jetzt noch jemand
außer uns unterwegs ist.«
    Â»Ich habe ein bisschen die Zeit da oben vergessen«, bekannte Matiu.
»Wir hätten schon früher aufbrechen sollen.«
    Â»Und jetzt?« Eine Übernachtung auf dem Berg war das Letzte, was
Katharina wollte. Mit jeder Minute wurde der Wind frischer und unangenehmer.
Ihr feuchtes, verschmutztes T-Shirt klebte ihr jetzt
klamm am Rücken. Die feinen Härchen auf ihrem Unterarm standen in die Höhe.
    Nach kurzem Wühlen holte Matiu aus seinem Rucksack eine dicke Jacke.
»Zieh deinen Pullover an. Ich nehme die Jacke. Dann haben wir dein Brötchen,
noch etwas Wasser und einen Apfel.« Er runzelte die Stirn. »Üppig ist was
anderes, aber ich denke, bis morgen früh kommen wir durch. Im Hellen kann ich
dann auch auf einem Bein zu dem Pfad zurückhüpfen – und die ersten Wanderer,
die an einem Sonntagmorgen den Ruapehu besteigen, werden uns sicher helfen.« Er
sah sich den Platz unter den Sträuchern an. Stein, etwas vertrocknetes Laub und
ein paar dürre Äste. »Vielleicht können wir sogar ein Feuer machen!«
    Â»Hast du etwa Feuer dabei?« Sie sah ihn zweifelnd an.
    Â»Klar. Meine Mutter hat mir beigebracht, dass man immer auf alles
vorbereitet sein sollte.«
    Ohne ein weiteres Wort fing Katharina an, nach Zweigen und Blättern
zu suchen. Als sie mit einem

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