Der Gesang der Maori
Richtung der Berge. »Die sehen jetzt harmlos aus, aber lass dich
nicht täuschen. Immer wieder rumpeln sie kräftig und sorgen auf die eine oder
andere Weise dafür, dass hier Menschen ums Leben kommen.«
»So ist das mit der Liebe. Nichts als Ãrger, und am Schluss muss
jeder leiden.« Katharina spürte selbst, dass ihr das ein bisschen bitter über
die Lippen gekommen war.
Im Halbdunkel sah Matiu sie neugierig an. Er schwieg ein bisschen,
bevor er vorsichtig fragte: »Was ist dir denn passiert, dass du so gar nicht an
die Liebe glaubst? Immerhin hat es doch bei deiner Freundin Sina ganz gut
geklappt â oder etwa nicht?«
»Sina ist ein Glückspilz!«, seufzte Katharina. »Sie und Brandon sind
eines der wenigen Paare, die ich wirklich um ihre Beziehung beneide. Aber denk
doch mal nach: Bei wie vielen deiner Freunde denkst du aus vollem Herzen âºDas
hätte ich auch gerne!� Ich finde, das ist erschreckend selten der Fall. Meine
Eltern haben sich gestritten, seit ich denken kann, bei meinem Bruder läuft
gerade alles auf eine Scheidung hinaus â und andere Freundinnen hat es noch
schlimmer erwischt. Alkohol, Gewalt, Spielsucht. Oder er denkt nur an FuÃball.
Oder betrügt sie â¦Â«
»Und was ist dir passiert?«, unterbrach Matiu sie. »So wie sich das
anhört, ist es dir ja auch nicht sonderlich gut ergangen.«
Mit einem Achselzucken lehnte sich Katharina zurück und sah ein
Weilchen die funkelnden Sterne an. Dann fing sie an zu reden. »Tom hat nicht verstanden,
dass ich mehr vom Leben will als nur Rucksackreisen und billige Spaghetti.
Meine Karriere hat angefangen, und er begann, an mir herumzumäkeln. Warum ich
plötzlich Kostüme trage. Oder mich schminke. Und vor allem: Warum ich plötzlich
weniger Zeit für ihn habe. Als ich ihm erklärt habe, dass unser nächster groÃer
Urlaub leider ausfallen muss, hat er mich verlassen.« Sie schluckte. »Ich bin
mir sicher, er hat eine nette Studentin gefunden, die rund um die Uhr Zeit für
seine Abenteuer hat.«
»Hat es sich gelohnt?« Matius Stimme klang so, als ob ihn ihre
Antwort wirklich interessieren würde.
»Aber natürlich! Mein Chef hat mich auf diese Reise geschickt, ich
bin auf vielen Partys und Empfängen, ich lerne spannende Menschen kennen!«
»â¦Â ja, sicher. Aber ich habe dich gefragt, ob es sich wirklich für
dich gelohnt hat. Damit meine ich: Macht dir dein Leben jetzt mehr Spaà als
vorher? Oder ist es nur hektischer und einsamer geworden?« Seine Stimme klang
jetzt eher drängend.
Um ein Haar wäre sie wütend geworden. Was bildete er sich ein, ihr
komplettes Lebensmodell infrage zu stellen? Dann atmete sie tief durch und sah
noch einmal in den Sternenhimmel über sich. Die Stille, die sich rings um sie
ausgebreitet hatte, war so intensiv wie nur wenige Dinge vorher in ihrem Leben.
Ihre Stimme klang brüchig, als sie endlich antwortete. »Keine Ahnung. Es erschien
mir wie die richtige Entscheidung. Ich wollte etwas in meinem Leben ändern, und
Tom wollte alles beim Alten belassen. Keine Ahnung, ob es bei mir jetzt besser
ist. Auf jeden Fall ist es wirklich anders geworden, das ist mir wohl
gelungen.« Für einen langen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen. Bis
Katharina ihre ursprüngliche Frage wieder einfiel. »Du hast mir noch nicht
gesagt, wie es um dich steht. Glaubst du an die Liebe? Kennst du Vorbilder für
die Beziehung, die du wirklich haben willst?«
»Ja.« Katharina konnte mehr spüren als sehen, dass Matiu bei diesem
Wort nachdrücklich nickte. »Die Liebe meiner Eltern â das ist wirklich
groÃartig. Sie sind nicht verheiratet. Aber sie wirken so glücklich
miteinander, als wären sie sich erst gestern begegnet â und nicht irgendwann
vor vierzig Jahren.«
»Hast du Geschwister?« Katharina wollte nicht neugierig sein, aber
mit einem Mal war sie wirklich an seiner Familie interessiert.
»Aber sicher. Gleich vier davon. Ich bin der Jüngste â ich habe
tatsächlich vier Schwestern, die allesamt älter als ich sind. Wir machen immer
Witze darüber, dass sie so lange Kinder bekommen hätten, bis endlich mal ein
Junge geboren worden sei. Das Pech meiner Mutter, dass ich erst die Nummer fünf
war â¦Â« Er lachte leise. »Ernsthaft: Wir Kinder waren meinen Eltern unglaublich
wichtig. Ich hatte immer das Gefühl,
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