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Der Gesang des Blutes

Der Gesang des Blutes

Titel: Der Gesang des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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noch?»
    «Den Keller? Nein, den benutzen wir nicht.» Kristin meinte, ein Déjà-vu zu erleben. Augenblicklich wusste sie, dass ihr diese Frage so ähnlich schon einmal gestellt worden war. Und zwar von Hanna.
    «Ich war auch schon mal da unten», sagte Johann und griff nach seiner Teetasse. «Der Keller ist wirklich schlecht gebaut. Die Treppe ist zu steil und die Stufen viel zu schmal. Da kann man schnell stürzen. Aber früher wurde eben so gebaut. Da gab es noch keine strengen Vorschriften.» Er zuckte mit den Schultern und trank.
    Maria trat an den Tisch, stellte eine Tasse und Würfelzucker vor Kristin ab und schenkte ihr ein. «Unser Keller sieht ganz ähnlich aus. Ich wäre beinahe auch schon auf der Treppe gestürzt. Johann hat dann ein Geländer anbringen lassen.»
    Kristin nickte nur, bedankte sich für den schwarzen Tee und trank davon. Auf irgendwas wollten die drei doch hinaus, oder bildete sie sich das nur ein? War ihre psychische Verfassung tatsächlich so schlecht, dass sie in allem und überall Bedeutung und Bedrohung sah?
    «Vielleicht solltest du die Tür abschließen und den Schlüssel verstecken?», meinte Johann nachdenklich und rieb sich den Bart. «Damit so was nicht noch einmal passiert.»
    «An der Tür ist kein Schloss», sagte Kristin.
    Sie wusste das genau, weil sie auf diesen Gedanken auch schon gekommen war. Kurz nach ihrem Einzug hatte sie vor der geschlossenen Kellertür gestanden und Bilder vor ihrem geistigen Auge gesehen, die ihr einen Schauer über den Rücken gejagt hatten. Sie hatte sich ausgemalt, wie Lisa in ihrer kindlichen Neugier die Tür öffnete und in den Keller stürzte. Natürlich waren das nur übertrieben mütterliche Instinkte, die sie erst verdrängt und schließlich vergessen hatte.
    «Das ist kein Problem», sagte Johann, «ich kann rüberkommen und ein stabiles Vorhängeschloss anbringen. Das geht schnell und macht fast keinen Dreck.»
    Bevor Kristin etwas erwidern konnte, bekräftigte Hanna Johann in seinem Vorschlag. «Eine gute Idee. Wenn man ein kleines Kind im Haus hat, kann man nicht vorsichtig genug sein.»
    Kristin blickte zwischen beiden hin und her. «Na ja, ihr habt wohl recht. Wenn es dir nichts ausmacht?»
    «Überhaupt nicht. Ich komme gleich morgen vorbei. Ist denn sonst alles in Ordnung?»
    «Was meinst du?»
    «Nun, wenn kein Mann mehr im Haus ist, wirft das doch bestimmt Probleme auf. Wenn es irgendetwas gibt, was du allein nicht schaffst, sag Bescheid. Nur keine falsche Scham, hier auf dem Lande hilft einer dem anderen.»
    Johann meinte es ernst, das wusste Kristin. Er war wohl das, was man einen Kerl vom alten Schlag nannte. Sie wollte sich eben bedanken, als es auf dem Flur laut polterte, und Sekunden später erschienen Toni und Lisa in der Küchentür. Lisa stürmte auf Kristin zu. Sie nahm ihre Tochter auf den Arm. Sie war warm, hatte ein gerötetes Gesicht und sah abgekämpft aus.
    «Weißt du, was ich und Toni gemacht haben, Mama?»
    «Nein, was denn?»
    «Wir waren ganz lange draußen und haben bei der Arbeit geholfen. Ich durfte ganz ganz kleine Pflänzchen im Wachshaus gießen. Die sind so klein wie Babys.» Lisa war aufgeregt. Ihre Augen glänzten vor Abenteuerlust und Müdigkeit gleichzeitig. Mit ihren Händen zeigte sie Kristin, wie klein die Pflänzchen im Gewächshaus waren.
    «Das hört sich ja toll an. Dann hat es dir ja richtig gut gefallen bei Toni, oder?»
    Lisa nickte ernsthaft. «Morgen komme ich wieder her. Das habe ich mit Toni schon besprochen.»
    «Ich glaube, da müssen wir erst mal Tonis Eltern fragen, ob das in Ordnung geht.»
    Johann winkte ab. «Darum mach dir mal keine Sorgen. Die sind froh, wenn der kleine Wildfang beschäftigt ist. Die Lisa kann jederzeit wiederkommen. Nicht wahr, Toni?»
    Toni nickte ebenso ernst. «Lisa ist jetzt meine allerbeste Freundin. Ich spiel sowieso nur noch mit sie.»
    Johann wuschelte seinem Enkel durchs Haar. «Mit ihr.»
    «Und, mein Schatz, wollen wir jetzt nach Hause fahren? Es wird Zeit fürs Bett.»
    Lisa vergrub ihr warmes Gesicht am Hals ihrer Mutter, und Kristin spürte, wie der kleine Körper etwas schlaffer wurde und die Anspannung langsam nachließ. Sie hatte sich wirklich total verausgabt. Kristin bedankte sich noch einmal fürs Essen und dafür, dass sie Lisa unterbringen konnte. Dann verließen sie das Haus der Möncks. Nachdem sie die Kleine im Kindersitz festgeschnallt hatte, kehrte sie noch einmal an die Tür zurück.
    «Vielen Dank, ich wüsste nicht, was ich

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