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Der Gesang des Blutes

Der Gesang des Blutes

Titel: Der Gesang des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Einladung, denn allmählich hatte sie das Gefühl, an ihren Worten zu ersticken. Ohne Ilse bekam das Alleinsein einen anderen, intensiveren Geschmack. Nach ihrem Streit hatte sie geglaubt, auf ihre Mutter verzichten zu können, nun war sie sich nicht mehr sicher. Unterhaltungen mit einem Kind waren kein Ersatz für Unterhaltungen mit einem Erwachsenen.
    «Ich störe doch nicht?»
    Johann schüttelte den Kopf. «Ach wo. Komm durch, Mädchen, wir gehen in die Küche. Wir haben noch einen anderen Gast.»
    Als Kristin die große Küche der Möncks betrat, sah sie, wer damit gemeint war. In der Rundung der Sitzgruppe saß Hanna neben Maria Mönck.
    Maria stand auf. «Schön, dass du hereinschaust. Hast du schon zu Abend gegessen?» Sie umarmten sich.
    «Ich hab gar keinen Appetit.» Das stimmte nicht, und der angenehme Duft nach Gekochtem, der ihr schon im Flur aufgefallen war, reizte Kristins Magen, der seit Stunden nichts mehr bekommen hatte.
    «So ein Unsinn. Du musst etwas essen. Setz dich zu Hanna.»
    Maria sprach schnell und resolut, sodass man kaum die Möglichkeit hatte zu widersprechen. Wahrscheinlich hatte das Leben in einer großen Familie ihr diesen Ton angewöhnt. Kristin versuchte keinen Widerspruch mehr, sie setzte sich zu Hanna in die Rundecke.
    «Geht es deiner Mutter besser?»
    «Nein, noch immer unverändert.»
    Hanna legte ihre Hand auf Kristins und tätschelte sie. «Es wird bestimmt alles wieder gut.»
    Tausendfach gesagte Worte der Aufmunterung, die kaum noch wirkten. Kristin hatte sie in den letzten Wochen zu oft gehört, sie maß ihnen keine Bedeutung mehr zu. Hanna wollte freundlich sein, und so fasste sie es auch auf, aber dass alles wieder gut werden würde, nein, daran glaubte sie nicht. Seit sie das Haus bezogen hatten, war das Unglück aus Kübeln über sie gegossen worden. Tom war tot, Ilse würde vielleicht sterben, und es sah so aus, als würde sie in absehbarer Zeit das Haus verlieren. Wie sollte da alles gut werden?
    Kristin überging die Floskel mit einem Nicken. «Hat Lisa sich benommen?», fragte sie an Johann gewandt. Er hatte ihr gegenüber auf einem Stuhl Platz genommen und stopfte seine Pfeife.
    «Ach …», winkte er ab, «du hast so ein liebes Mädchen, da brauchst du dir keine Sorgen machen. Und wenn sie da ist, stellt der Toni nicht halb so viel an wie sonst. Man sieht die beiden kaum. Sie hocken in seinem Zimmer und spielen die meiste Zeit so leise, dass Maria dauernd nachschauen geht, ob sie noch da sind.»
    «Da hast du absolut recht.» Maria kam mit einem Teller Gemüseeintopf vom Herd zurück «Sie macht wirklich keine Arbeit. Sie ist sogar die Einzige, die beim Essen still sitzt.» Sie stellte den Teller vor Kristin ab und legte einen Löffel daneben. «So, und nun lass es dir erst mal schmecken. Ich kann mir vorstellen, dass du seit mittags nichts mehr gegessen hast.»
    «Das stimmt, ich bin einfach nicht dazu gekommen. Danke.»
    Kristin tauchte den Löffel in die vor Gemüse strotzende Suppe und probierte davon. Sie war nicht mehr ganz heiß, schmeckte aber unglaublich gut. Während sie aß, unterhielt Johann sie und Hanna mit Anekdoten aus seiner Baumschule. Kristin löffelte die Suppe, sah immer mal wieder hoch und hörte zu – anfangs jedenfalls. Dann allerdings bemerkte sie etwas, was ihr vorher nicht aufgefallen war. Vielleicht spielten ihre übereifrigen Sinne ihr nur einen Streich? Aber irgendwie kamen die drei ihr … nun, angespannt vor. Nicht locker genug für einen normalen Feierabend. Das mochte an ihrer Gegenwart liegen, sehr wahrscheinlich sogar, schließlich konnte man mit einer Frau, die vor kurzem ihren Mann verloren hatte und deren Mutter nach einem schrecklichen Unfall mit dem Tode rang, kaum ein lockeres Gespräch führen. Aber trotzdem, dieses Abendessen wirkte auf sie wie … na ja, wie bestellt. Als wäre es geplant. Kristin traute sich kaum noch von ihrem Teller aufzuschauen. Sie wünschte sich, Lisa möge hereinkommen und diese unangenehme Situation beenden, doch das geschah nicht.
    Kaum war der letzte Löffel in ihrem Mund verschwunden, sprach Johann sie an. Er hatte seine Pfeife noch nicht angezündet und machte auch keine Anstalten, es gleich zu tun. Seine Finger, unter deren Nägeln Kristin dunkle Erde erkennen konnte, spielten damit, wendeten sie von einer Seite auf die andere, drehten, strichen und tasteten.
    «Das ist schon eine schlimme Sache mit der Treppe», sagte er. Und nach kurzem Zögern: «Benutzt ihr den Keller eigentlich

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