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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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wollte mein Versprechen halten, doch wie hätte ich das tun können? Ich besitze nicht das Geld, um Phrynion seine Schuld zurückzuzahlen. Selbst wenn ich mein Haus verkauft hätte ... was soll aus meinen Söhnen werden und aus unserer Tochter ... aus uns? Niemandem wäre damit geholfen gewesen. Es schmerzt mich ebenso wie dich. Das musst du mir glauben.“
    Tatsächlich weinte er. Neaira, die außer Lysias noch keinen Mann hatte weinen sehen, wusste, dass er die Wahrheit sprach. Es war eine wenig tröstliche Wahrheit, denn wie konnte ihr Schicksal Stephanos, der seinen Körper nicht verkaufen musste, der Sklaverei und Demütigung nicht kannte, ebenso schmerzen wie sie?
    Stephanos Schmerz war zwar aufrichtig, aber lauwarm wie seine Gefühle für sie. Trotzdem zwang sie sich, ihr Herz nicht vollkommen gegen ihn zu verschließen. „Stephanos, ich werde dir verzeihen, denn es ist nun nichts mehr zu ändern an den Dingen. Ich habe dich vor Phrynion gewarnt, aber du hast meinen Warnungen keinerlei Beachtung geschenkt. Ich werde dir allein aus dem Grund verzeihen, da ich Phrynion nicht mit dem Efeukranz des Siegers schmücken will. Aber ich stelle eine Bedingung.“
    Er nahm ihre Hände und sah sie hoffnungsvoll an.
    „Was immer du willst!“
    Sie hatte den ganzen Weg, seit sie Phrynions Haus verlassen hatte, über diese Möglichkeit nachgedacht. Es war ein geringer Preis, und doch würde er Stephanos sehr hoch vorkommen. „Unsere Tochter wird einen Athener Bürger heiraten, und du wirst dafür sorgen, dass sie das volle Bürgerrecht erhält.“
    „Das geht nicht“, gab er ihr kopfschüttelnd zu verstehen und sah sie an, als hätte sie die rechte Hand von ihm gefordert. „Du bist keine Bürgerin von Athen. Nur die Tochter einer Bürgerin darf heiraten und besitzt Bürgerrechte.“
    „Dann wird Phano eben nicht meine Tochter sein, sondern die Tochter deiner toten Gattin.“
    Er kam auf die Beine und starrte sie noch erschrockener an. „Das ist Betrug! Wenn das herauskommt, verliere ich alles - sogar meine Bürgerrechte werden mir aberkannt!“
    „Wenn ich Opfer bringen kann, dann kannst du es auch! Ansonsten ist die Beteuerung deiner Gefühle nicht viel mehr als eine Lüge gewesen!“, fuhr sie ihn an. „Du wolltest mich vor Phrynion schützen, hast es jedoch nicht gekonnt. Wie willst du denn Phano beschützen, wenn sie nicht heiraten darf? Soll sie vielleicht bei Proxenos leben, der sie hasst? Du lebst nicht ewig, Stephanos. Die unverheirateten Töchter deines Hauses werden dem nächsten Vormund unterstellt, und das ist Proxenos. Der einzige Schutz für Phano sind die Bürgerrechte und eine Heirat.“ Entschlossen verschränkte Neaira die Arme vor der Brust und begann auf und ab zu gehen. „Deine Söhne hassen mich – und sie hassen Phano. Die Knaben werden bald Männer sein ... und ich kenne die Männer nur zu gut.“
    Neaira hob die Hände in einer verzweifelten Geste. „Für mich ist es zu spät – aber Phano soll nicht dafür bezahlen, dass ich sie geboren habe. Wem soll es schon auffallen?
    Mädchen werden in keinen Listen der Polis geführt, ihre Geburten nicht vermerkt, sie werden der Gesellschaft nicht vorgestellt ... wer sollte beweisen können, dass sie nicht die Tochter deiner toten Gattin ist?“
    Schließlich gab Stephanos nach und versprach ihr, Phano zu gegebener Zeit zu verheiraten. Fast tat er ihr leid, als er so verdrossen und hilflos ihren Raum verließ. Doch Neaira brauchte Zeit, um ihre Wunden heilen zu lassen.
    Dann rief sie nach Thratta und Kokkaline, um auch den Sklavinnen ihren Entschluss mitzuteilen. Beide mussten einen Schwur auf Aphrodite leisten, ihre Anweisungen zu befolgen. „Phano soll glauben, dass sie nicht meine Tochter ist. Sie soll sich meiner nicht schämen müssen.“
    „Aber Herrin“, wandte Thratta ein.
    Neaira verbot ihr weiterzusprechen. „Was hat sie für eine Zukunft als meine Tochter? Sie kann nicht heiraten, ihre Brüder weigern sich, sie als ihre Schwester anzuerkennen und damit die Verantwortung für sie zu

übernehmen. Sie hat keine Familie außer Stephanos und uns Dreien.“ Neaira lächelte traurig. „Und wir zählen nicht, wir können ihr nicht helfen. Soll sie denn wie ich ihren Körper verkaufen müssen? Nur das würde ihr bleiben, wenn sie nicht heiraten darf.“
    Beide Sklavinnen sahen sie traurig an und nahmen ihre Herrin dann in den Arm. „Es tut uns leid, dass es so gekommen ist“, bekannte Thratta unter Schluchzern.
    „Das ist jetzt nicht

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