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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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Hunde. Phrynion gab sich gelassen. Immer wieder bemerkte Neaira, wie er Stephanos Glücklosigkeit im Beruf ansprach, ohne ihn jedoch zu beleidigen.
    Stattdessen klopfte er ihm auf die Schulter und sagte: „Es ist ja nicht deine Schuld, Stephanos, dass du deine Reden nicht vom Pult aus führen darfst. Dazu braucht es mehr als Können. Wir alle wissen, wie nötig Empfehlungen sind.“
    Neaira hätte ihn schlagen können, ihn anschreien und ihn ohrfeigen. Stattdessen beobachtete sie mit Unwillen, wie dankbar Stephanos an Phrynions Lippen hing und wie gut ihm seine Worte taten. Hilflos musste sie dabei zusehen, wie Phrynion sich immer weiter zwischen sie drängte, indem er sich bei Stephanos einschmeichelte.
    „Auf unsere Freundschaft“, riefen sich die beiden Männer am Ende des Abends zu und erhoben die Weinschalen, während Phrynion in Neairas zorniges Gesicht lachte.
    „Was beabsichtigst du? Es ist wohl kaum Stephanos, an dem dir gelegen ist.“
    Phrynion ließ seine Hand über Neairas Körper fahren, küsste sie hingebungsvoll auf beide Brüste und rollte sich dann zufrieden von ihr herunter. Er hatte es kaum abwarten können, sie auf die Kline zu holen. Jetzt, als er neben ihr lag, gab er sich entspannt und verschränkte genüsslich die Arme hinter dem Kopf. „Ich werde dir zeigen, wie wankelmütig das Herz deines Geliebten ist. Für seinen beruflichen Aufstieg steigt er freiwillig hinab in den Tartaros – aber zuallererst vergisst Stephanos dich.“
    „Das wird er nicht“, versprach Neaira, obwohl sie es selbst nicht glaubte.
    Wie Neaira bald erfahren musste, behielt Phrynion recht mit seiner Annahme. Nach einigen Mondumläufen wurden die gegenseitigen Besuche zur Regelmäßigkeit, und Stephanos nannte Phrynion seinen besten Freund. Im Gegenzug stellte Phrynion seinen vermeintlichen neuen Freund einigen wohlhabenden Herren vor und sprach Empfehlungen für ihn aus. Bald ging Stephanos abends immer häufiger aus und kehrte erst gegen Morgengrauen zurück. Er erhielt Einladungen angesehener Bürger, die Phrynion ihm zuspielte. Begeistert erzählte Stephanos Neaira nach einem seiner Umtrunke mit Phrynion von einem gewissen Kallistratos, der ihn mit einer Anklagerede gegen Xenokleides, jenen Dichter aus Korinth, der einst einer von Neairas Gönnern gewesen war, betraut hatte.
    Neaira wünschte ihm Glück und den Segen Athenes, als er am Morgen der Verhandlung das Haus verließ, wobei sie ihre Ängste und Sorgen verbarg.
    Stephanos gewann das Gerichtsverfahren und erstritt für Kallistratos eine hohe Geldsumme. Mit diesem Tag änderte sich vieles für Stephanos, denn fortan stand er in Diensten von Kallistratos, der ihn gut entlohnte. Bald besaß er neue Gewänder, und selbst seine Söhne, die ihre Boshaftigkeiten Neaira gegenüber nicht unterließen, nahmen gerne die schönen Dinge an, die ihr Vater von seinem verdienten Geld kaufte. Stephanos Vermögen wuchs so stetig wie das von Kallistratos, für den er nacheinander mehrere Gerichtsfälle gewann.
    Nach zwei Jahresumläufen verkaufte Stephanos das Haus in der Straße des Flüsternden Hermes und zog in ein weitläufiges Anwesen, wo Neaira die Frauengemächer zur eigenen Verfügung erhielt. Es war ein schneller Abschied aus der Straße des Flüsternden Hermes, den Stephanos und seine Söhne ohne Wehmut begingen. Sie schenkten den Nachbarn die letzten Möbelstücke und konnten dann nicht schnell genug ihr altes Leben hinter sich lassen. Auch Neaira hätte sich freuen müssen, doch sie beobachtete die aufkommenden Gewitterwolken am Himmel aus dem Eselskarren heraus, in dem sie mit Thratta und Kokkaline saß. „Da braut sich ein Gewitter zusammen“, meinte Kokkaline und suchte bereits nach einem Mantel, um ihn Neaira um die Schultern zu legen.
    „Das ist kein Gewitter, Kokkaline, sondern ein Sturm.“
    Neaira wusste es genau – es würde stürmen und donnern ...
    sehr bald schon.
    Stephanos war sichtlich stolz auf seinen Erfolg und beschenkte Neaira und auch Phano mit neuen Gewändern.
    Kurz darauf kaufte er Grundbesitz in Athen und ein großes Landgut, das er bewirtschaften ließ. Nach einem weiteren Jahresumlauf erinnerte sich niemand mehr daran, dass er ein ungeliebter Sykophant gewesen war, dessen Namen man mit Verachtung im Mund führte. Nun war Stephanos ein Redner, der gefürchtet und geachtet wurde.
    Wohlhabende Gäste, Mitglieder des Aeropag und Generäle gingen in seinem geschmackvoll eingerichteten Haus ein und aus. Proxenos erhielt einen Posten bei

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