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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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dir. Ich habe dir deinen Aufstieg erschlafen. Deine Söhne nehmen das gerne in Kauf aber verachten mich. Ich verlange wirklich nicht viel. Soll Phano später in einem Hurenhaus für ihren Lebensunterhalt sorgen? Soll sie bei Proxenos oder Ariston leben, die sie hassen?“
    Neaira war das Gewissen, welches Stephanos immer wieder daran erinnerte, wie er zu seinem Reichtum gekommen war. Wenn sie ihn aus ihren großen braunen Augen ansah, senkte er den Blick und nickte stumm. Seine wenigen Besuche ihres Lagers endeten bald ganz.
    Stattdessen besuchte Stephanos noch öfter die Athener Huren. Bald erzählte Phrynion Neaira mit Genugtuung, dass Stephanos eine junge Hetäre unterhielt, der er eine Wohnung nahe der Agora bezahlte. Neaira schickte Kokkaline, da sie es selber nicht ertrug, Stephanos mit dieser jungen Frau zu sehen. Was ihr bei Phrynion selbstverständlich erschien, kam ihr bei Stephanos wie Verrat vor. Kokkaline bestätigte Phrynions Worte bei ihrer Rückkehr mit mitleidigen Blicken.
    „Ist sie sehr schön?“, wollte Neaira von ihr wissen.
    „Sie kichert viel und ist leicht zu beeindrucken“, versuchte Kokkaline ihre Herrin zu trösten. Neaira nickte und lächelte bitter. „Also ist sie jung.“
    Phano wuchs zu einem verschlossenen Kind heran, dem im Alter von zehn Jahren die Zuneigung zu Neaira ausgetrieben worden war. Endlich nannte sie die Frau, welche sie scheinbar so hasste, nur noch beim Vornamen und ging ihr geflissentlich aus dem Weg. Einzig Thratta, die für sie Mutterersatz geworden war, schenkte Phano ihre Zuneigung. Stephanos war mittlerweile ein reicher Mann, und Neaira, von ihm mit wertvollen Gewändern, Schmuck und Dienerschaft ausgestattet, sah ihn selten im gemeinsamen Haus. Er verbrachte viel Zeit mit seiner Geliebten. Nur wenn es Dinge des Haushalts zu besprechen gab, kehrte er zurück. Phrynion, mittlerweile über fünfzig Jahresumläufe alt, doch noch immer boshaft und listig, konnte Neaira nicht oft genug daran erinnern, was er ihr vorausgesagt hatte. Noch immer waren seine Worte wie Gift unter ihrer Haut, und er träufelte es unaufhörlich in ihre Adern. „Du siehst Stephanos nicht mehr oft, oder? Was glaubst du, wie lange es dauern wird, bis er sich eine freie Bürgerin zur Gattin nimmt?“
    Neaira ertrug Phrynion nicht mehr - nicht seine bösen Worte, noch seine forschenden Blicke. Sie war dieses Kampfes so müde, während er unermüdlich weiter ihre Wunden aufriss und seine Zähne hineinschlug. Phrynion besaß noch immer Krallen und Leidenschaft, obwohl er ebenso wie Stephanos nicht mehr das Lager mit ihr teilte -
    jedoch aus einem anderen Grund. Sein Körper war im Laufe der Jahre aufgedunsen vom vielen Wein, den er nur noch unverdünnt trank. Ihm schien mit dem Verfall seines Leibes die Lust auf körperliche Leidenschaft vergangen zu sein. Nur sein neuer Sklave, ein hübscher Jüngling der Neaira an Hylas erinnerte, wurde in einigen Nächten zu ihm gerufen. Neaira kümmerte es nicht. Phrynion neigte mittlerweile zur Völlerei, und seine Trunksucht suchte seinesgleichen. Auch sie war mit vierzig Jahren nicht mehr jung, aber noch immer schlank mit ebenen Gesichtszügen, und oftmals stand sie kopfschüttelnd vor Phrynions Kline, wenn er mit trüben Augen in seine Weinschale starrte.
    „Was ist nur aus dir geworden, Phrynion? Du warst ein schöner Mann ... ist das deine Vorstellung von Schwelgerei und Untergang gewesen? Nun, du hast es geschafft. Ich bemitleide dich!“
    „Das brauchst du nicht, Neaira“, bekannte er dann mit schiefem Lächeln „Ich bin ein freier Mann und habe mich für dieses Leben entschieden. Ich werde immer frei sein, du jedoch niemals.“ Nein, seine Krallen hatte dieser alte Löwe, dieser verbrauchte Satyr, nicht verloren! Neaira beobachtete Phrynions Verfall mit Genugtuung, jedoch auch mit einer ihr unerklärlichen Traurigkeit. Trotz ihrer Abneigung gegen diesen Mann, der ihr Leben so nachhaltig zerstört hatte, war er mit den Jahren vielmehr ihr Gefährte geworden als Stephanos es war; denn wo Stephanos sie mied, suchte Phrynion ihre Nähe. Es war ein schleichender Weg gewesen, der seine Höhepunkte darin fand, dass sie ab und an Gespräche führen konnten, ohne sich gegenseitig zu belauern. Phrynion war alt geworden, und Neaira war einsam. Schließlich überwand sie sich sogar, ihm abends Gesellschaft zu leisten, wenn er sich betrank. Freunde kamen so gut wie nicht mehr in sein Haus. Nun, da Stephanos Neaira nicht mehr anrührte, ließ Phrynion sich

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