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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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wirst du meine Liebe und Zuneigung nie wieder besitzen. Sie gehört Stephanos allein, und nichts kann diese Gefühle zerstören!“
    Phrynion verzog nicht einmal einen Mundwinkel - als hätten ihn ihre Worte nicht berührt. Trotzdem ließ er sich zu einer Entgegnung herab: „Gib es endlich auf, gegen mich anzukämpfen. Ich gewinne immer!“ Sein Kinn schien die scharfen Konturen seiner Jugend anzunehmen, als Phrynion sie grob zu sich hinzog, damit sie ihm in die Augen sehen musste. „Im Gegensatz zu Stephanos liebe ich dich wirklich, Neaira! Wir gehören zusammen. Das ist unser Schicksal, und dein Alter ist mir vollkommen egal.
    Wir sind uns ebenbürtig in unserer Schamlosigkeit und unserer Leidenschaft.“
    Neaira fauchte zurück: „Das sind wir nicht, Phrynion!
    Ich habe dich einmal geliebt ... aber diese Liebe ist verloren, was immer du auch tust!“ Ohne ihn noch einmal anzusehen, wandte sie sich von ihm ab und ließ den Rest der Vorstellung über sich ergehen.
    Erst als Phrynion sie aus dem Odeion geführt hatte, unter spöttischen Blicken, boshaften Bemerkungen und mehr oder weniger heimlicher Schadenfreude, kam Neaira etwas zur Ruhe. Sie wäre nur allzu gerne in Phrynions Haus zurückgekehrt, doch er ließ sich Zeit und unterhielt sich mit den anderen Herren. Phrynion hatte sie untergehakt und zog sie mitten durch die Menge. Wie bei einem Schaulauf musste Neaira ihre Demütigung mit einem Lächeln ertragen. Manche vermieden es sie anzuschauen oder Philetairos Rede zu erwähnen, andere waren nicht so zurückhaltend. Einer musterte Neaira unverhohlen - seine stechenden Augen waren unangenehm wie die eines Wolfes.
    „Du kennst Neaira – meine Hetäre?“, fragte Phrynion den hochgewachsenen, fast hageren Mann, der sie anstarrte als wäre sie ein Insekt, das er gerne zertreten hätte.
    „Man hört so einiges über sie“, schnitt seine Stimme unangenehm in ihr Herz. Dieser Mann hasste sie, obwohl sie ihn gar nicht kannte! Warum hatte Phrynion sie zu ihm hingezogen, als wäre sein heutiger Sieg nicht bereits groß genug gewesen.
    „Wie ich hörte, hat Stephanos dir wieder einmal übel mitgespielt bei der letzten Verhandlung“, vernahm sie Phrynions Stimme und wagte endlich, den Blick des Mannes zu erwidern. Das muss Apollodoros sein, über den Stephanos sich immer wieder beklagt hat , ging es Neaira durch den Kopf. Da er keine Anstalten machte seine respektlosen Blicke zu unterlassen, wandte sie sich schließlich ab.
    Sie sprachen nie wieder über diesen Besuch im Odeion.
    Stattdessen führten sie ihr Leben weiter wie bisher. Neaira erzählte Stephanos nichts von jenem Tag und ihrem Zusammentreffen mit Apollodoros – er ahnte ohnehin nicht, welch eine Art von Krieg zwischen ihr und Phrynion tobte. Er kämpfte seinen eigenen aussichtslosen Kampf, endlich Erfolg als Redner zu haben. Neaira wusste, dass es aussichtslos war, sagte ihm jedoch nichts. Wie sollte er mit seinem arglosen Gemüt in einer boshaften Welt der Mächtigen bestehen können. Beinahe war sie froh, dass er keinen Erfolg hatte. Obwohl sie Proxenos, Ariston und die Enge des Hauses nicht mochte, waren die Zeiten, die Neaira mit Stephanos verbrachte, ihre letzte Zuflucht. Hier konnten sie Phrynions Ränke nicht erreichen. Wenn sie bei Stephanos war, verbarg sie sich vor der Welt – dort gab es die Hetäre Neaira nicht. Es war, als würde sie zwei Leben nebeneinander leben, von denen keines sie glücklich machen konnte.
    Weitere sechs Mondumläufe vergingen, in denen sie und Phrynion ihr Spiel der gegenseitigen Belauerung bis zur Kunstfertigkeit vervollkommnten. Es war jedoch vor allem Neaira, die sich immer wieder fragte, welche Boshaftigkeit er als Nächstes ersinnen würde, um sie in die Knie zu zwingen.
    An einem Abend, als sie gemeinsam im Andron speisten, lag wieder einmal das geheimnisvolle Lächeln auf Phrynions Gesicht, welches Neaira stets Magenschmerzen bereitete. Phrynion sprach gerade von dem neuen Gericht, das seine Köche ihnen aufgetragen hatten - einen grün gefiederten Vogel, dem man seine Federn nach dem Garen wieder an den Körper gesteckt hatte. Gebratener Papagei hieß es und war sehr beliebt bei den Reichen und Wohlhabenden in Athen. Jetzt saß ihr Abendessen mit gespreizten Schwingen auf einem Wurzelholz angerichtet auf Neairas Speiseplatte und schien sie mit seinen Augen aus Glasfluss anzuschauen, sodass ihr der Appetit verging.
    „Du bist viel zu verwöhnt, meine kleine Mänade“, gab Phrynion ihr zu verstehen, als er

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