Der Gesang des Satyrn
nur das Beste für sie“.
Doch Stephanos beharrte darauf, dass die Ehe mit Theogenes das Beste für Phano sei. „Etwas Besseres als den naiven Theogenes hätten uns die Götter gar nicht schicken können.“ Obwohl Neaira nicht überzeugt war, dachte sie an die Möglichkeiten, die sich für Phano auftaten. Wenn sie erst einmal Basilinna wäre, würde ganz Athen ihr zujubeln. Oder sie werden meine Tochter mit Schimpf und Schande verjagen , meldete sich mahnend ihr Verstand.
Doch was würde geschehen, wenn Phano bei ihnen blieb?
Schon jetzt trank sie zu viel, verkümmerte und schloss sich in ihren Räumen ein. Dann waren da noch ihre Brüder.
Vor allem Proxenos wurde immer mehr eine Gefahr für sie. Wenn Stephanos nicht mehr wäre, würde er die Vormundschaft für Phano übernehmen, falls sie keinen Mann hatte. Neaira schüttelte es einmal mehr bei diesem Gedanken. Schließlich stimmte sie Stephanos zu. Was hätte mehr Schutz für Phano bedeuten können als eine Ehe mit dem Archon Basileus !
Neaira beschloss, Phano die Neuigkeit zu überbringen und fand sie in ihren Räumen auf ihrer Schlafkline liegend.
Sie hatte versäumt, die Gemächer lüften zu lassen. Die Fensteröffnungen waren noch immer mit Tüchern verhangen. Es roch muffig nach abgestandener Luft.
Phano blinzelte als Neaira neben sie trat und stöhnte dann gequält auf.
„Es ist an der Zeit, dass du endlich aufstehst, Phano.
Du bist jung. Die Trübsal ist etwas für das Alter!“
„Ich fühle mich alt“, antwortete Phano mit schwerer Zunge und schielte bereits nach der Weinschale, die neben ihrer Kline stand. Ehe sie zugreifen konnte, trat Neaira die Schale mit dem Fuß um. Allein das war ein Grund für Phano, endlich die Augen zu öffnen. „Was fällt dir ein?“, fauchte sie Neaira an, die sich geschworen hatte dieses Mal nicht nachzugeben. „Dein Vater hat beschlossen, dich wieder zu verheiraten.“
„Lieber gehe ich zum Tartaros“, maulte Phano und schüttelte den Kopf.
Neaira klatschte in die Hände und zog die Tücher von den Fenstern, woraufhin Phano aufstöhnte und sich ihr Laken über den Kopf zog.
„Hör mir zu, Phano. Diese Hochzeit bietet dir eine Möglichkeit, einem Leben in den Frauengemächern zu entkommen.“
Phanos Kopf kam unter dem Laken hervor. Ihre Augen schätzten Neaira misstrauisch ab, doch tatsächlich schien sie zuhören zu wollen. So fasste Neaira Mut und erzählte ihr von Theogenes und dem Amt der Basilinna , das ihr mit der Hochzeit übertragen werden sollte. Obwohl Phano keinerlei Freude erkennen ließ, meinte Neaira so etwas wie Hoffnung im Gesicht der Tochter zu erkennen.
„Also gut“, murrte Phano. „Schlimmer als Phrastor kann er ja auch nicht sein.“
Neaira spürte ihr Herz vor Erleichterung aufgeregt gegen ihre Rippen schlagen. Trotzdem blieb sie streng und wies auf die umgestoßene Weinschale neben Phanos Kline.
„Das solltest du allerdings lassen, wenn du Basilinna bist!“
Phanos Gemütszustand besserte sich mit Aussicht auf die neue Ehe und das damit verbundene Amt. Sie ließ sich waschen und ankleiden und beschwerte sich noch nicht einmal, als die Sklaven auf Neairas Anordnung hin sämtlichen Wein aus ihren Räumen brachten. Neaira dankte Aphrodite und allen Göttern dafür. Nur Athene ließ sie bei ihrer Danksagung aus – es war sicherlich nicht der Verdienst der rachsüchtigen Göttin, dass Phano Hoffnung geschöpft hatte.
Nur einen Mondumlauf nach Stephanos Beschluss führte Theogenes Phano in sein Haus und machte sie zu seiner Gattin. Stephanos, der wusste, dass Theogenes zwar ein wichtiges Amt bekleidete, aber die Kosten, die damit verbunden waren, kaum aufbringen konnte, richtete die Hochzeit selbst aus und sicherte sich damit einmal mehr Theogenes Dankbarkeit. Neaira bemerkte, dass sie tatsächlich erleichtert war, sobald Phano das Haus verlassen hatte. Die Lüge, die zwischen ihnen stand, hatte ihren Gemütszustand belastet. Neaira schämte sich für diese Gefühle, hoffte jedoch, dass Phano nun endlich ihr Glück gefunden hätte.
Theogenes und Phano schienen sich
überraschenderweise gut zu verstehen. Stephanos überbrachte keine schlechten Nachrichten von Theogenes.
Zwar verbot der Anstand, in der Öffentlichkeit über die Gemahlin zu sprechen. Doch Theogenes hätte Möglichkeiten gefunden seine Beschwerden vorzubringen, wenn es denn welche gegeben hätte. Stattdessen schien auch er aufzuleben und mit der Wahl seiner Gattin zufrieden zu sein. Vielleicht ist es gerade
Weitere Kostenlose Bücher