Der Gesang des Satyrn
heraus, dass Epainetos gar nicht beabsichtigte seine Schuld zu begleichen. Er sandte einen Vermittler mit einer Botschaft, der Stephanos mitteilte, dass dieser ihn zu Unrecht gefangen gehalten und dreitausend Obolen von ihm erpresst habe. Denn, so erklärte er durch den Vermittler, er sei kein Ehebrecher, weil Phano keine Athener Bürgerin sei, wie er jüngst erfahren habe, sondern die Tochter von Stephanos Hetäre.
Epainetos ging sogar so weit, Stephanos Haus als Hurenhaus zu bezeichnen, in dem er die Frauen seines Haushaltes dazu anhielt, von ahnungslosen Gästen Geld zu erpressen. Deshalb, und um Phanos zweifelhafte Ehre nicht gänzlich zu zerstören, böte sich eine Einigung von Schlichtern an, deren Urteil sie sich beide unterwerfen würden.
Wieder schäumte Stephanos vor Zorn. Auch Neaira konnte sich gut vorstellen, wer Epainetos den Gedanken eingegeben hatte, sich auf diese Art vor der Zahlung seiner Schulden zu drücken. Vor ihrem inneren Auge sah sie einen Wolf mit stechenden Augen. Stephanos wies den Vermittler an im Andron zu warten, während er mit Neaira in den Garten ging, wo er tief Luft holte, um seiner Wut und seiner Hilflosigkeit Herr zu werden.
„Das verdanken wir Apollodoros“, sagte Neaira gepresst. Stephanos nickte stumm. „Epainetos weiß, dass er mir ins Gesicht spuckt, erpresst mich aber mit dem Ehrenverlust Phanos, der auch dann eintreten würde, wenn ich vor Gericht siege und der Vorfall bekannt wird. Er hat Angst, öffentlich einen Rettich in den Hintern gesteckt zu bekommen, aber er weiß auch, dass ich viel mehr zu verlieren habe als er. Was für eine Demütigung! Er wird mir einen beleidigend geringen Geldbetrag anbieten, den ich annehmen muss.“
„Es ist meine Schuld“, wagte Neaira, an der die Sorgen nagten, zu bekennen. „Ich habe damals von dir verlangt, Phano zu einer Bürgerin Athens zu machen.“
Stephanos, der sie immer wieder beschwichtigt und verteidigt hatte, fand dieses Mal keine tröstenden Worte für sie. Mit müden Augen sah er sie an und antwortete: „Ich werde dem Vermittler sagen, dass ich Epainetos Angebot annehme.“
Zu guter Letzt besaß Epainetos sogar die
Unverfrorenheit, Aristomachos und Nausiphilos als Schlichter zu benennen - jene beiden Männer, die vorab für Epainetos Schuld gegenüber Stephanos gebürgt hatten.
Mit düsteren Blicken kam Stephanos einige Tage später aus Athen zurück und erklärte Neaira, dass er sich mit Epainetos darauf geeinigt hatte, dass dieser tausend Obolen an Phano zahle, weniger als die Hälfte des vorab versprochenen Betrages. Bereits am nächsten Tag ließ Stephanos verkünden, dass der Ausflug aufs Land beendet wäre, und wies die Sklaven an die Truhen zu packen, da er nach Athen zurückkehren wolle. Neaira, die gemeint hatte in diesem Haus von Athenes Rachedurst verschont zu bleiben, hatte nichts gegen Stephanos Entscheidung einzuwenden. Dieses helle und luftige Haus, das ihr Glück und Frieden bei ihrer Ankunft verheißen hatte, kam ihr nun düster und feindselig vor.
Phano verzog nicht einmal eine Braue als Neaira ihr mitteilte, wie die Schlichtung zwischen ihrem Vater und Epainetos ausgegangen war. Sie wies die Sklaven an ihre Truhen zu packen und verschloss ihre Gedanken mehr denn je vor Neaira und Stephanos.
22. Kapitel
Basilinna
Phano setzte ihr altes Leben fort, sobald sie nach Athen zurückkehrte. Als hätte es den Vorfall mit Epainetos nicht gegeben, schickte sie Thratta ihr Wein zu bringen und legte sich auf ihre Schlafkline, von der sie sich nur noch selten erhob. Sie schikanierte die Sklaven, und als sie sogar Thratta schlug, die weinend zu Neaira kam, da sie dies von Phano nicht gewohnt war, wies Neaira ihrer Tochter eine andere Sklavin zu. Phano beschwerte sich nicht, solange man ihr nicht die Weinschale fortnahm. Proxenos, mittlerweile durch das Gerede auf der Agora vom ehrlosen Verhalten seiner Schwester unterrichtet, gebärdete sich vor seinem Vater wie ein tollwütiger Hund. Er behauptete Phano mit eigenen Händen töten zu wollen, um die Familienehre wieder herzustellen. „Sie ist die Tochter einer Hure – was hast du erwartet, Vater?“
Neaira wagte er jedoch nicht anzugreifen, da Stephanos ihn harsch zurechtwies. „Noch bin ich das Oberhaupt dieser Familie“, gab er Proxenos zu verstehen und verbot ihm Phano oder Neaira anzurühren. Die Streitigkeiten in seinem Haushalt zermürbten Stephanos mehr als Neaira es für möglich gehalten hatte. Fast schien es ihr, sein ruhiges Gemüt
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