Der Gesang des Satyrn
nichts anderes übrig als Proxenos Anweisungen Folge zu leisten, und so verbrachte sie fortan die meiste Zeit allein in ihren Frauengemächern, in Gesellschaft von Thratta und Kokkaline. „Oh, ihr Götter, lasst Stephanos wohlbehalten nach Athen zurückkehren“, betete sie immer wieder und ließ Thratta und Kokkaline ebenfalls für die baldige Rückkehr Stephanos beten.
„Ich weiß jetzt was wir zu befürchten haben, wenn Stephanos uns nicht mehr schützen kann“, sagte Neaira oft zu ihren Sklavinnen, die sie zu trösten aber vor allem abzulenken versuchten. Ihr wurde die Zeit lang, und die Sorgen um Phano, Stephanos und um ihr eigenes Leben zehrten an ihrem Gemüt. Sie schlug Thratta, als diese einen Salbtiegel fallen ließ, entschuldigte sich jedoch danach und schenkte der Sklavin eine Schale Wein ein. „Es ist kaum verwunderlich, dass Phano Vergessen im Wein sucht. Ich muss mit Stephanos über sie reden, sobald er zurückkehrt.“
25. Kapitel
Hurenmutter
Nach ihr endlos erscheinenden zwei Mondumläufen kehrte Stephanos aus Makedonien zurück. Neaira dankte allen Göttern, als Proxenos in sein eigenes Haus zurückkehrte und sie sich wieder frei bewegen konnte. Tatsächlich schien Stephanos nicht mehr so bedrückt wie vor der Reise. Seine Haut war gebräunt, da er viel unter der Sonne geritten war, und seine Hände waren rau von den Zügeln seines Pferdes.
Auch Stephanos Schritte wirkten kraftvoller und seine Stimme klarer als Neaira es von ihm kannte. Die Verhandlungen waren erfolgreich gewesen, und Stephanos lud Neaira ein, mit ihm im Andron zu speisen und ihr von seiner Reise zu erzählen. Als sie auf ihren Klinen lagen, redete er mit dem offenen Gemüt, das er in Megara besessen hatte und lachte ausgelassen, wenn er von einem bestimmten Erlebnis in Makedonien erzählte, das ihm besonders gefallen hatte. Neaira, die glücklich darüber war, dass es Stephanos besser ging, ermahnte sich innerlich, dass sie mit ihm über Phano reden musste sowie über die demütigende Behandlung durch Proxenos während seiner Abwesenheit. Sie verschob diese unangenehmen Dinge jedoch, da sie fürchtete Stephanos würde in seine alte Grübelei und seinen Schwermut verfallen. Es wäre noch genügend Zeit, wenn er erst wieder ein paar Tage in Athen war, entschuldigte sie ihr Zögern und genoss stattdessen das üppige Mahl und die Lieder auf der Kithara, die eine junge Sklavin ihnen vortrug. Später am Abend, als Stephanos Zunge leicht vom Wein und der Schwelgerei war, konnte er seinen Stolz über die zurückgewonnene Ehre kaum noch verbergen. „Apollodoros wird speien, wenn er hört, dass wir in Makedonien nicht gescheitert sind, da er es doch war, der den Krieg befürwortet hat.“
Neaira beglückwünschte ihn zu seinem Erfolg, fragte sich aber, auf welche Art Apollodoros sich dieses Mal zu rächen versuchen würde. Mittlerweile, so meinte sie, ging es weder Stephanos noch Apollodoros um politische Streitigkeiten. Vielmehr führten sie gegenseitige Racheschläge gegeneinander aus und gingen immer wieder aufeinander los wie zwei kämpfende Hähne. Doch auch von diesen Bedenken erzählte Neaira Stephanos nichts, da sie fürchtete, sein Gemüt zu betrüben.
Am nächsten Tag hatte es Stephanos eilig zur Agora zu kommen und die Ehrungen und Lobe für seinen Erfolg entgegenzunehmen. „Ich hoffe, dass Apollodoros auch dort sein wird und an seinem eigenen Zorn erstickt.“
Neaira lächelte gequält ob seiner unbekümmerten Heiterkeit und war fast den gesamten Tag unruhig, bis Stephanos am Abend zurückkehrte und ihr mit zufriedenem Lächeln mitteilte, dass Apollodoros Gesicht rot wie ein Granatapfel gewesen sei, als Stephanos in Ehren vom Rat empfangen wurde.
„Hat er dir wieder gedroht?“, fragte sie vorsichtig.
Stephanos verneinte. „Es wäre wohl kaum der richtige Zeitpunkt mir zu drohen – jetzt, da Athen mir so viel zu verdanken hat.“
„Aber er wird warten und einen Weg finden“, entgegnete Neaira. Erneut dachte sie daran, dass sie bald mit Stephanos über Phanos Trunksucht und ihre Zukunft sprechen musste.
„Dann werde ich ihn wieder besiegen“, stellte Stephanos abschließend fest und wünschte ihr eine gute Nacht, da der Tag für ihn anstrengend gewesen sei und er früh zu Bett gehen wollte. Neaira blieb nichts anderes übrig, als sich in ihre eigenen Gemächer zu begeben und Thratta zu Phano zu schicken.
„Hat sie nach ihrem Vater gefragt?“, wollte Neaira wissen, als die Sklavin kurze Zeit später
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