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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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stellen, die ich beantworten müsste ... natürlich kann es vorkommen, dass auch zwei Frauen unter Abwesenheit des Vormunds sterben ... aber es wäre sehr auffällig.“
    Neaira grinste zurück, obwohl ihr nicht zum Lachen zu Mute war.
    Proxenos war verunsichert. „Also einen Arzt, ja?“, quetschte er hervor und ließ tatsächlich nach einem Arzt schicken, nicht ohne Neaira gegenüber zu erwähnen, wie teuer ihn das kommen würde.
    „Stephanos wird dir jeden Obolus für Phanos Behandlung zurückzahlen, wenn er wieder in Athen ist“, antwortete sie ruhig und hätte Proxenos im gleichen Atemzug gerne ins Gesicht gespuckt.
    Als der Arzt Phanos Gemächer verließ, wandte er sich wie erwartet nicht an Neaira, sondern an Proxenos. Er teilte ihm mit, dass seine Schwester der Trunksucht verfallen sei und sicherlich keine zehn Jahre mehr zu leben hätte, wenn sie ihren Weingenuss nicht einstellen würde.
    Etwas geringschätzend fügte er hinzu: „Man hört ja so manches über den Herrn Stephanos, sodass es mich nicht wundert, wie die Frauen seines Hauses verkommen. Doch vielleicht kannst zumindest du auf deine Schwester einwirken.“ Er bedachte Neaira mit einem hochmütigen Blick, denn er meinte zu wissen, dass nur der schlechte Einfluss einer Hetäre Phano zur Trinkerin hatte machen können. Mitleidvoll klopfte er Proxenos auf die Schulter und nahm seinen Medizinkasten. Sein weißer Chiton umwehte ihn wie einen Gott, als er hinter den Säulen der Vorhalle verschwand. Neaira sah diesem einfältigen Gott hinterher, der sich vielleicht mit Körpern auskannte, jedoch nicht mit gebrochenen Herzen. Ab diesem Tag wusste Neaira mit endgültiger Sicherheit, dass weder sie noch Phano Güte und Verständnis von Proxenos erwarten konnten, falls Stephanos starb. Sie wurde noch unruhiger als zuvor und schwor bei Aphrodite noch einmal mit Stephanos zu reden, sobald er nach Athen zurückkehrte.
    Schließlich ging sie zu Phano, um ihr ins Gewissen zu reden und erschrak, als sie den Verfall ihrer Tochter erblickte. Wie lange habe ich ihre Räume gemieden? , fragte 653
    Neaira sich mit schlechtem Gewissen. Obwohl die Fensteröffnungen verhängt waren und der Raum düster, meinte sie die Frau nicht zu kennen, die auf der Kline lag -
    teigig wie ein in der Sonne zerlaufener Klumpen Schweinefett. Phanos Gesicht war aufgeschwemmt und ihre Augen von schweren Tränensäcken gezeichnet. Der einst schlanke Körper war füllig geworden. Obwohl Phano noch keine dreißig Sommer gelebt hatte, war von ihrer Jugend nichts übrig geblieben. Phano schien das Entsetzen Neairas zu bemerken, denn sie sprach sie von der Kline aus an. „Bist du erschrocken, mich so zu sehen? Gefällt dir nicht, was du siehst? Aber ich bin das, zu dem ihr mich gemacht habt ... Vater und du!“ Wie um ihre Worte zu bestätigen, rief sie nach Wein.
    „Du trinkst dich zu Tode, Phano. Sobald dein Vater wieder in Athen ist, werde ich ihm sagen, dass er dir den Wein verbieten muss. Es ist die einzige Möglichkeit, dir zu helfen.“
    Phano lachte. Ihre Stimme klang rau, als hätte sie lange nicht mehr gebraucht. „Er wird kaum etwas dagegen unternehmen. Es ist ihm eben recht, wenn ich sterbe und das ständige Gerangel um die Frage meiner Ehre vergessen werden kann!“
    „Das ist nicht wahr, Phano ... du tust ihm Unrecht!“
    Die Augen der Tochter schienen Neaira zu durchbohren, um hinter deren beherrschtem Antlitz die Wahrheit zu suchen. „Tatsächlich?“, fragte sie jedoch nur gleichgültig und winkte dann abwehrend. „Was tut es schon, was er denkt? Ich möchte mich jetzt betrinken – also geh!“
    „Phano, ich bitte dich“, versuchte es Neaira noch einmal, aber die Tochter funkelte sie an. „Ich habe keine Lust in dein Hurengesicht zu sehen, während ich mich betrinke!“
    Neaira verließ Phanos Räume. Keinen Augenblick länger hätte sie Phanos Anblick ertragen können. Obwohl sie ihn hasste, ging Neaira zu Proxenos, um ihn darum zu bitten Phano den Wein fortzunehmen.
    Er zuckte nur mit den Schultern. „Das kann ich nicht bestimmen, mein Vater ist ihr Vormund.“
    „Du willst es nicht bestimmen“, stellte Neaira klar.
    Proxenos ließ die Maske der Beherrschung fallen. Wut und Hass klangen in seiner Stimme mit. „Das ist wahr, ich will es nicht! Und nun geh in deine Gemächer und beschäftige dich mit Frauenarbeiten. Solange ich diesem Haushalt vorstehe, möchte ich nicht, dass du dich unnötig oft im Andron zeigst. Dein Anblick widert mich an!“
    Neaira blieb

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