Der Gesang des Satyrn
nicht gezeigt hatte. Aber Neaira sorgte sich um ihn und litt darunter ihn so zu sehen, obwohl Phrynions zerstörerische Leidenschaft für das Leben und dessen Vergänglichkeit sie abstießen, wie seine ruhige geheimnisvolle Art sie angezogen hatte. Trotzdem liebte Neaira ihn weiterhin, da sie sich an die schönen Zeiten mit ihm erinnerte.
Als Neaira eines Abends vom Tempel Athenes zurückkehrte, wo sie der Göttin ein Opfer gebracht und sie im Gebet darum angefleht hatte ihr doch diese Liebe und einzige Hoffnung nicht zu zerstören, drang die Musik von Flöten und der Lärm betrunkener Gäste aus dem Andron.
Phrynion hatte Freunde eingeladen und gab ein Fest. Es war das erste Mal, dass er jemanden in sein Haus einlud, seit Neaira bei ihm lebte. Bisher hatten sie sich genügt, doch Neaira fragte sich, ob Phrynions scheinbare Genügsamkeit nicht bereits Anzeichen seiner Eifersucht gewesen waren. Einerseits wollte er sie herumzeigen, andererseits hatte er sie nie auf ein Fest mitgenommen, geschweige dass er sie ins Odeion oder Theater geführt hätte. Neaira klopfte das Herz gegen die Rippen, als sie das schummrig beleuchtete Andron betrat. Zuerst sah sie Phrynion. Er war betrunken, und auf seiner Kline lag ein junges Mädchen - es mochte kaum vierzehn Sommer alt sein -, dem er eine Trinkschale mit Wein an die Lippen hielt, während seine andere Hand zwischen ihren gespreizten Schenkeln ruhte. Irgendeine der Tunken des Abendmahls war auf ihrer Scham verteilt worden, und Musikantinnen schlugen Trommeln zur Unterhaltung der Gäste. Die ekstatisch rhythmischen Schläge vermischten sich mit dem lauten Lachen der Gäste. Außer Phrynion waren noch fünf weitere Männer anwesend. Vor zweien von ihnen knieten Knaben, die nicht älter sein konnten als das Mädchen. Es waren Sklaven aus Phrynions Haus, und die Herren lockten sie mit Trauben oder Nüssen, welche die Knaben aus ihren Händen aßen wie junge Hunde. Sie waren nackt, und ihre schlanken Körper glänzten vom Öl.
Es roch nach Schweiß und säuerlichem Wein, nach Lüsternheit, Gier und Hemmungslosigkeit. Sowohl Gäste wie auch die Sklaven trugen Kränze aus Weinlaub. Dies war ein Fest für Dionysos!
Phrynion winkte sie heran. Seine Zunge war schwer vom Wein. „Meine Freunde! Das ist meine Hetäre Neaira, von deren Schönheit ganz Athen spricht. Es wird Zeit, sie in unsere auserlesene Gesellschaft einzuführen.“
Die Köpfe wandten sich zu ihr um, musterten sie unverhohlen. Lippen verzogen sich zu begehrlichen Lächeln, Augen schienen sich durch ihren Chiton zu brennen. Neaira kannte diese Art von Gelagen, denn rau und derb war es oft in Nikaretes Haus zugegangen. Doch damals war sie eine Sklavin gewesen, die keine andere Wahl gehabt hatte. Jetzt stand sie da und wusste nicht, was sie tun sollte. Sie war Metökin, eine Freigelassene, und hatte innerlich mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen. Seit sie nach Athen gekommen war, hatte Neaira sich bemüht, ihren Ruf zu verbessern ... mit Geschenken an die Götter, Spenden für die Armen und dem Versprechen an sich selbst, nie wieder ein solches Fest zu besuchen.
„Komm zu mir!“ Erneut winkte Phrynion sie zu sich, und seine Worte machten ihr schnell klar, dass er keine Weigerung dulden würde. Als Neaira vor ihm stand, stieß Phrynion das andere Mädchen von der Kline. Sie fiel mit einem Schrei zu Boden, rappelte sich jedoch wieder auf und kletterte auf die Kline eines anderen Mannes, der dort weitermachte, wo Phrynion aufgehört hatte. Eine Olive wanderte über ihren Körper und dann in ihre Scham. Das Mädchen kicherte dümmlich. Phrynion zog Neaira zu sich auf die Kline. Ehe sie wusste wie ihr geschah, drückte er seinen Mund grob auf ihren. Die Gäste lachten und vollführten obszöne Gesten, während Phrynion ihr seine Trinkschale an die Lippen hielt.
„Ein schönes Weib, das du dir da aushältst. Ich würde dich reich beschenken, Neaira, wenn du auch mir einmal deine Gunst schenken würdest!“, rief einer der Männer und prostete ihr zu.
Phrynion, begierig sie zu zeigen jedoch zu eifersüchtig um sie zu teilen, setzte sich auf der Kline auf und schien mit einem Schlag nüchtern zu sein. „Sie gehört mir! Merk dir das, mein Freund.“ Er war so aufgebracht, dass der Andere beschwichtigend die Hände hob und sich wieder mit dem kichernden Mädchen beschäftigte.
Neaira war froh, dass es so dunkel im Andron war und niemand sah, wie sehr sie sich schämte. Was sollte sie tun?
Sollte sie es wagen, Phrynion
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