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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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so ihren Lebensunterhalt verdienen sollte.
    Sie wäre beinahe auf Neairas Rücken geprallt, da diese abrupt stehen blieb, um eine der Frauen anzustarren.
    Kokkaline nahm Thrattas Hand und zog das schüchterne Mädchen hinter sich her, als die Herrin geradewegs auf eine bunt geschminkte Hure zuging.
    „Phila!“
    Die Hure sah Neaira aus gelblich trüben Augen an.
    Dann verzog sie den Mund zu einem Lächeln und entblößte braune Zahnstummel. Entsetzt bemerkte Kokkaline, dass nur eine Seite ihres Gesichts lächelte – die andere hing schlaff herunter. Sie war ein Zerrbild von Verwüstung mit strähnigen glanzlosen Haaren, einem ausgezehrten Gesicht, das von einer dicken Schminkpaste aus Bleiweiß bedeckt wurde. Die Hure zog ihren Schleier vor ihr Gesicht als würde sie sich daran erinnern, dass sie entstellt war. „Neaira „ entgegnete sie, wobei ihr der Name wegen der Lähmung des Gesichts nur schleppend über die Lippen kam. „Ich habe gehört, dass du nach Athen gegangen bist. Wir anderen haben nicht so viel Glück gehabt. Isthmias hatte einen reichen Kerl. Aber der Alte war schon ein Tattergreis und ist auf ihr krepiert.“ Sie lachte als wäre sie dabei gewesen und hätte zugesehen.
    „Danach war es vorbei mit ihrem feinen Leben. Nikarete hat sie an die Arbeiter vermietet. Aristokleia wurde verkauft, und Stratola ist bei der Geburt ihres Balges gestorben, weil die alte Leda zu blöd war, einen Trank anzumischen. Schöne Sauerei war das.“
    Kokkaline hielt den Kopf gesenkt, während sie zuhörte.
    Es war kaum zu überhören, dass ihre Herrin diese Phila nicht von einem der vielen Symposien kannte. Sie sprach wie eine Hure und sah auch so aus. Doch Neaira schien das alles nicht zu bemerken und zog sich einen breiten Goldreif vom Arm, den sie Phila gab. Die Hure starrte ihn gierig an, dann grinste sie noch breiter. „Wusste ja schon immer, dass du nicht so ein Miststück bist wie die anderen.“ Sie tippte sich an die Stirn. „Du hast was im Kopf.“
    „Wie ist es dir ergangen, Phila?“ hörte Kokkaline ihre Herrin fragen.
    Die Hure winkte ab. „Nikarete, das Miststück, hat mich an einen Händler verkauft – für ein paar Amphoren Wein.
    Der hat mich mitgenommen, aber irgendwann hier in Megara vergessen, als er mich so verprügelt hat, dass mein Gesicht mir nicht mehr gehorchen wollte. Also bin ich hier geblieben.“
    „Das tut mir leid, Phila.“
    „Muss es nicht. Manche von uns sind eben von den Göttern dazu bestimmt verloren zu gehen.“ Die Hure hob den Goldreif nah an ihre Augen, ließ ihn dann schnell in ihrem Chiton verschwinden und grinste Neaira ein letztes Mal an, bevor sie sich abwandte. „Werde mal schauen, was ich für meinen neuen Armreif bekomme.“
    Kokkaline konnte sich nicht mehr zurückhalten, nachdem Phila fort war. Vorsichtig zupfte sie Neaira am Ärmel des Chitons. „Herrin, was war das für eine furchtbare alte Vogelscheuche? Woher kennst du sie, und warum hast du ihr den Armreif überlassen? Sie wird sich dafür Wein kaufen und sich betrinken.“
    Neaira schüttelte den Kopf, ohne zu einer Antwort fähig zu sein. Erst als sie zurück in ihrem Zimmer waren und Kokkaline ihr die Sandalen von den Füßen zog, flüsterte Neaira: „Phila ist nicht älter als ich es bin. Möge Dionysos ihr gnädig sein und sie im Rausch des Weines in den Hades geleiten.“
    Nach der Begegnung mit Phila legte Neaira ihre Trübsal ab. Als sie am nächsten Morgen erwachte, funkelten ihre Augen trotzig. Ihr Ehrgeiz war erwacht.
    Eine Weile überlegte sie und kam dann zu dem Schluss, dass ihr keine andere Wahl blieb, als vorerst in Megara zu bleiben. Sie befragte die Wirtin ihrer Unterkunft nach Häusern, die zum Verkauf stünden. Die Frau gab ihr einige Namen, nachdem Neaira ihre Redseligkeit mit einem Schmuckkamm bezahlte. „Du wirst keine Schwierigkeiten haben, ein Haus zu kaufen. Viele stehen leer, weil die Bewohner Megara wegen des Krieges und der Seeblockade verlassen haben. Sie sind nicht wählerisch und verkaufen auch an Frauen ohne männliche Bürgen. Es gibt ja auch

keine Männer, die ihnen ihre Häuser abkaufen würden.“ Sie schürzte die Lippen und lächelte betont freundlich.
    „Allerdings lohnt sich ein eigenes Haus in diesen schwierigen Zeiten kaum. Es kommen nicht viele Fremde nach Megara, und die Männer der Stadt sind auch nicht mehr freigiebig. Du tätest besser daran, ein Zimmer bei mir anzumieten und dein Gewerbe bescheidener zu betreiben.
    Ich habe einige Stammkunden, die

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