Der Gesang des Satyrn
Fächer aus Palmblättern Kühlung zufächelte. Er war nicht aus Megara, das erkannte sie sofort. Obwohl er verloren aussah, fehlte ihm die missmutige Stimmung der Einwohner Megaras. Ein gezwungenes Lächeln huschte ihm über das Gesicht. Er war nicht hingerissen von ihr, obwohl sie ihn in geradezu einladender Weise auf der Kline empfing. Er war überhaupt nicht wirklich da. „Setze dich doch und ruhe dich aus.“ Es war vielmehr ein inneres Gefühl, als Neugierde, das Neaira riet, diesen etwas ungelenken Mann einzuladen. Er antwortete nicht und setzte sich ihr gegenüber auf eine Kline, so als wolle er gleich wieder aufstehen. Neaira rief nach Thratta und ließ Früchte und Wein für den Besucher auftragen. „Wie steht es in Athen?“, fragte sie mit beiläufigem Lächeln. Das erste Mal überhaupt schien er sie bewusst anzusehen.
„Ich selbst habe einige Zeit in Athen gelebt und meine, dass du nur von dort sein kannst“, bekannte Neaira beiläufig. In ihrem Gedächtnis suchte sie nach einer Erinnerung, befand jedoch ihm noch nie begegnet zu sein.
Auch als er ihr seinen Namen nannte, meinte Neaira ihn nicht zu kennen. „Stephanos aus Athen? Ich kenne viele Herren in Athen, dich jedoch nicht.“
„Ach“, antwortete der Fremde mit bescheidenem Lächeln. „Ich bin wohl kaum ein so berühmter und reicher Mann, dass du mich kennen müsstest. Ich besitze zwar die Bürgerrechte, aber nur ein bescheidenes Haus. Ich verkehre nicht auf den großen Symposien, geschweige, dass man mich zu ihnen einladen würde.“
Irgendetwas an ihm berührte sie. Neaira konnte es nicht benennen – vielleicht war es sein verlorener Blick, die Müdigkeit und Resignation, die in seiner Antwort gelegen hatten.
Sie achtete auf sein Verhalten, als sie ihm ihren Namen nannte, doch in Stephanos Gesicht trat keinerlei Erkennen.
Weder sah er sie bewundernd noch geringschätzend an.
Seine Miene zeigte gleichbleibende Freundlichkeit. Als wäre er hinter einem Schleier verborgen ... Sein Leib ist hier, doch seine Gedanken sind weit fort , überlegte Neaira, während sie Stephanos weiter beobachtete. Neaira fragte ihn, was ihn nach Megara führte.
Er kratzte sich das stoppelige Kinn. „Ich weiß es selbst nicht genau. Vor einem Mondumlauf starb meine Gattin, der ich sehr zugetan war, und hinterließ mir zwei Söhne.
Seit sie fort ist, erscheint mir mein Haus, obwohl es klein ist, furchtbar groß und leer. Ich denke, dass es Zerstreuung ist, die ich suche. Meine Söhne habe ich in der Obhut einer Sklavin gelassen und bin früh morgens aufgebrochen, als alle noch schliefen. Es trieb mich fort, obwohl ich hätte bleiben sollen. Ich habe meine Verpflichtungen vernachlässigt.“ Beinahe entsetzt über diese Erkenntnis starrte er in seine Weinschale. „Eigentlich bin ich auf dem Weg nach Korinth und will in Megara nur die Nacht verbringen. Ich sah dein Haus und mir wurde gesagt, dass du“, er begann zu stottern.
Neaira lächelte insgeheim über seine Unsicherheit.
„Nun ja, man sagt, dass du gewisse Dienste anbietest.
Ich habe gehofft Vergessen zu finden, aber jetzt erscheint mir das töricht.“
Sie konnte sehen, wie nervös er war, wie ratlos und erschöpft – beinahe als schäme er sich dafür, überhaupt darüber nachgedacht zu haben, in ihr Haus zu kommen.
Stephanos war im Begriff aufzustehen, doch Neaira hielt ihn zurück. „Edler Stephanos ... Vergessen muss nicht immer mit körperlichen Freuden einhergehen. Bleibe diese Nacht hier, sei mein Gast und lasse dich von mir bewirten.“
Sein Gesicht zeigte ein ungläubiges Lächeln, und tatsächlich ließ Stephanos sich zurück in die Polster der Kline sinken. „Das ist sehr freundlich von dir, Neaira.
Tatsächlich suche ich vielleicht mehr ein geneigtes Ohr als einen willigen Körper.“
Auch eine Katze ist manchmal freundlich , dachte Neaira, ohne Stephanos etwas von ihren Gedanken zu verraten.
Tatsächlich suche auch ich vielmehr ein geneigtes Ohr und eine helfende Hand als einen geneigten Körper. Irgendwie war dieser Mann lauwarm, und Neaira wusste nicht ob das gut oder schlecht war. Immerhin – Wärme konnte angenehm sein, und man verbrannte sich nicht an der milden Herbstsonne.
Es konnte nicht schaden, etwas mehr über diesen Stephanos zu erfahren. Sie wies Thratta an, ein üppiges Gastmahl zu bereiten und eine neue Amphore Wein aufzutragen. Bald duftete es nach gebackenem Getreidepudding mit Früchten und gebratenem Zicklein.
Stephanos langte ausgehungert zu, und
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