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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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obwohl Neaira betont gleichmütig in ihrem Essen herumstocherte und bemüht war nicht zu schlingen, meinte sie schon lange nicht mehr so gut gegessen zu haben. Nachdem Stephanos sich gesättigt den Bauch hielt und Thratta seine Weinschale aufgefüllt hatte, lächelte er gelöst. „Du verwöhnst mich, Neaira. Es ist der erste Abend seit dem Tod meiner Gattin, an dem ich wieder etwas Freude am Leben empfinden kann.“
    „Nun Stephanos, das freut mich zu hören“, gab Neaira ihm zu verstehen, während sie sich bemühte ihre Worte wie ein alter Freund zu wählen. „Auch mir erging es nicht gut, seit ich Athen verlassen habe. Also können wir uns beide dem Vergessen hingeben. Die Geschichte meines Lebens wäre wohl gut für eine tragische Vorführung im Theater. Aber sie ist lang, und es würde mehr als nur einen Abend brauchen sie dir zu erzählen.“
    Das erste Mal bekundete Stephanos so etwas wie Neugierde, und das erste Mal an diesem Abend sah er Neaira in die Augen. „Ich würde sie gerne hören, und ich bin ein guter Zuhörer ... ein besserer Zuhörer als ein Redner. Du hast mir Freundlichkeit und Güte erwiesen.
    Also ist es nur gerecht, wenn ich dir diese Freundlichkeit vergelte.“
    Warum duckte er vor ihr wie ein geprügelter Hund?
    Sollte sie ihn treten oder streicheln? Was brauchte dieser Hund wohl, damit er bissig wurde? Neaira tat als überlege sie und leckte sich mit der Zunge Wein von den Lippen.
    Dann schüttelte sie den Kopf. „So viel Zeit wirst du für mich nicht aufbringen wollen, Stephanos. Sicherlich müsstest du einen gesamten Mondumlauf in Megara bleiben.“
    Fast meinte Neaira in seinen Augen die Unlust zu sehen ihr Haus zu verlassen - jetzt da es ihm ein Versteck vor dem Leben bot. Er war müde - Stephanos war den Herausforderungen des Lebens überdrüssig. Nein, dieser Hund wollte nicht getreten, sondern gekrault werden.
    Ohne lange zu überlegen willigte Stephanos ein. Neaira bot ihm eines der vielen freistehenden Zimmer in ihrem Haus an. Sie verbrachten den Abend mit harmloser Plauderei, während Neaira sich Neuigkeiten aus Athen berichten ließ.
    Erst als Stephanos ihr zufrieden eine gute Nacht gewünscht und das Andron verlassen hatte, winkte Neaira Kokkaline und Thratta zu sich. „Spart nicht bei der Bewirtung unseres Gastes. Er soll nicht wissen, dass ich arm bin.“
    Kokkaline zögerte. „Er wird dich ruinieren, Herrin.
    Wenn er geht, wirst du das Haus verkaufen müssen.“
    Neaira zupfte an sich herum wie eine Katze, der gewahr wurde, dass sie sich viel zu lange nicht geputzt hatte. In ihre Augen trat ein Glanz, den Kokkaline schon verloren geglaubt hatte. „Ein letztes Spiel mit der Gunst Aphrodites will ich wagen, Kokkaline. Denn es ist meine einzige Möglichkeit.“
    Kokkaline und Thratta wagten nicht zu fragen, was ihre Herrin beabsichtigte. Stattdessen taten sie was Neaira verlangte und verwöhnten Stephanos mit gutem Wein und erlesenen Speisen. Jeden Abend, wenn er gesättigt und träge auf seiner Kline lag, begann Neaira Stephanos ihre Geschichte zu erzählen. Wie eine Katze lockte sie ihn, bot ihm ihren schutzlosen Bauch und zog sich zurück, sobald er nach ihr greifen wollte. Sie erzählte ihm ihr Leben, jeden Abend nur ein Stück, und sie endete stets mit einer besonders tragischen Stelle, damit er Zeit zum Grübeln fand. Stephanos war tatsächlich ein guter Zuhörer. Neairas Schicksal half ihm, die eigenen Sorgen zu verdrängen. „Dir ist großes Unglück im Leben widerfahren“, sagte er manchmal nachdenklich, bevor er zu Bett ging. „Die Götter können jenen gegenüber grausam sein, welche sie nicht zu Lieblingen auserwählt haben ... wer könnte das besser verstehen als ich. Wie lange strebe ich schon nach ihrer Gunst, nach ein wenig Erfolg in meinem Broterwerb.“ Dann besann er sich und schüttelte den Kopf. „Doch wie könnte ich mich beklagen, wo ich dein Schicksal kenne!“
    Es wurde zu einem vertrauten Ritual zwischen ihnen – Anlocken und Rückzug. Stephanos bemerkte nicht, wie Neaira ihn mit krallenbewehrten Pfoten kraulte. Wenn sie nicht von selbst begann, ihm von ihrem Leben zu erzählen, forderte Stephanos sie dazu auf.
    Nach nur einer Woche besaß Neaira sein Mitgefühl, nach zwei Wochen Stephanos Zuneigung. In der dritten Woche, sie hatten sich gerade eine geruhsame Nacht gewünscht, verschwamm das Bild der toten Gatten in seinem Kopf und verlor die Kontur. Was hätte er da anderes tun können als Neaira zu küssen. Der geprügelte Hund hatte

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