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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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der ihnen ein riesiges Proviantpaket mitgab; einen ganzen geräucherten Schinken, drei ellenlange Salchichón-Würste, die, sollen sie echt sein, auch Eselsfleisch enthalten müssen, einen kleinen Sack Mehl, Zucker, Salz und Pfeffer, rote Bohnen.
    »Gott segne dich«, sagte Maria Christina und küßte ihn auf beide Wangen. Man sah Manuelo an, wie schwer ihm der Abschied von diesen drei merkwürdigen Menschen fiel, die versuchten, durch das Hinterland eines grausamen Bürgerkrieges zu einer Heimat zu finden.
    »Wenn der Krieg vorbei ist, komme ich nach Córdoba!« versprach er, »und er soll bald vorbei sein, noch ehe das erste Niño da ist!«
    Maria wurde rot, und Doña Verona schlug ihrem Sohn mit dem Elfenbeinfächer auf den muskulösen, nackten Arm. »Schäm dich, Manuelo!«
    Doch die Männer lachten leise, El Corazón schnalzte mit den Zügeln, und Ralfo, das Mulo, zog an, brav wie immer, das größte Maultier der Welt, wie El Corazón es fast ehrfürchtig nannte. Staub wallte hinter ihnen auf, sie sahen noch die Gesichter, die winkenden Hände, dann waren sie in der Kurve, und vor ihnen lag wieder feindliches, unbekanntes Land, das hinter jeder Straßenbiegung Verhängnis für sie bereithalten konnte.

25.
    Die Bomben schlugen rings um das Regierungsviertel in Madrid ein, und die Mitarbeiter der spanischen Volksfrontregierung unter dem Ministerpräsidenten Largo Caballero versammelten sich im Luftschutzbunker. Kerzen flackerten auf den groben Holztischen, denn die Bomben der ›Legion Condor‹ hatten das Stromnetz schwer getroffen. Von den Wänden tropfte es von einer leckgeschlagenen Wasserleitung herunter. Obwohl es schon Ende Mai war und sich auch in diesem Jahr das alte spanische Sprichwort zu erfüllen schien, wonach Madrid vom November bis März ein Eisgletscher ist, von April bis Oktober aber die Hölle, war es in dem dumpfen Gewölbe kalt und klamm, und die meisten der Offiziere der republikanischen Armee und der Zivilisten aus den Ministerien fröstelten, sie hatten keine Mäntel mitgebracht.
    Nur die sowjetischen Beobachter froren nicht. Sie trugen lammfellgefütterte Lederjacken, und ihre breitflächigen Gesichter strahlten Wohlergehen und Zufriedenheit aus, denn sie gehörten zur Elite Stalins, zu seiner Geheimpolizei, der NKWD, und genossen als solche Vorteile wie niemand sonst im Sowjetstaat.
    »Ich eröffne die Sitzung«, erklärte Largo Caballero.
    Hüsteln, Stühlerücken und im Hintergrund das Wummern der Bomben in den Straßen von Madrid – seit der Erhebung der Nationalen gegen die kommunistischsozialistische Volksfrontregierung im Juli 1936 die ständige Begleitmusik zu allen Sitzungen der Regierung.
    General José Asensio erhob sich, zog seinen Uniformrock glatt und blickte in die Runde. Auf seinem Gesicht konnte man einen Anflug von Verachtung sehen.
    »Man hat mich für den Fall von Malaga im vergangenen Jahr verantwortlich gemacht, obwohl ich das Hauptquartier in Valencia dringend darum ersucht hatte, die Front bei Malaga zu verstärken. Auf eigene Faust konnte ich das nicht tun, denn in diesem Lande hat ein Berufsmilitär offenbar nichts mehr zu sagen.«
    »Unverschämtheit! Ungeheuerlich! Wahnsinniger!« dröhnte es ihm entgegen. General Asensios Gesicht blieb ausdruckslos, nur der Anflug von Verachtung hatte sich noch verstärkt.
    »Wenn ich versagt haben sollte, dann bitte ich darum, daß der Ministerpräsident den Justizminister beauftragt, ein Kriegsgerichtsverfahren gegen mich einzuleiten – denn schon wieder schiebt man mir die Verantwortung zu für die Niederlage an der Nordfront, wo den Faschisten der Einbruch in unsere Kampflinien bei Santa Maria de la Sierra und der Vorstoß bis ans Mittelmeer gelungen ist. Aber ich kann keine Verantwortung tragen, wenn man mir keine Vollmachten erteilt.«
    Largo Caballero winkte resigniert ab. Er zog an seiner Zigarette, die nur noch ein winziger Stummel war, der ihm fast die Nikotin vergilbten Fingerkuppen seiner linken Hand ansengte. Er drückte die Zigarette aus und sagte, wie nebenbei: »Es wird kein Verfahren gegen General Asensio geben, weil er recht hat.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen unter den Versammelten, vor allem bei den Kommunisten, aber dann brach das Spektakel erneut los.
    »Jetzt läßt er die Maske fallen! Er ist ein Bourgeois, wie unsere Gegner von der anderen Seite!« rief Antonio Barca, der in Wirklichkeit Nikita Tomaskewski hieß, sich aber schon seit zehn Jahren in Spanien aufhielt, erst im Untergrund,

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