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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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Herr, vergib mir, daß ich immer noch an meine Eltern und Geschwister denken muß, die ich so sehr liebe, und die ich nun schon seit drei Jahren nicht mehr gesehen habe.
    »Hören Sie, wie still es plötzlich ist?« fragte der Arzt. Er hielt das Streichholz hoch, mit dem er seine zweite Zigarette angezündet hatte. »Nicht einmal die Luft bewegt sich mehr. So ist es immer vor einem Angriff, und bald wird das schreckliche Warten für Sie und für mich vorbei sein. Beten Sie, Schwester Teresa, beten Sie, daß nicht allzu viele sterben werden. Denn es sind sehr oft die Besten, die zuerst sterben.«

5.
    Die Sonne berührte gerade den Horizont im Westen und ließ das Kloster wie einen schwarzen Kupferstich von El Greco vor dem vergilbenden Gold der Berge erscheinen, als die Granaten über das Kommando Brenskis hinwegorgelten und ihren Weg in das Ziel nahmen. Und sie trafen genau. Die Einschläge lagen hinter und vor der Mauer, die das Kloster umgab, und sie lagen in dem Mauerabschnitt in der Nähe des Bachs. Während die anderen ihren Kopf runterhielten, beobachtete Brenski die Einschläge durch das Fernglas. Fontänen aus Steinen und Erde stiegen in die untergehende Sonne, Rauch quoll auf, und an manchen Stellen schien sich die Erde selbst zu heben. Aber durch all den Rauch und den aufstiebenden Mörtelstaub hindurch sah Brenski, daß das Kloster selbst nicht getroffen wurde.
    Gut so.
    »Commando – arriba!« rief er laut und sprang auf.
    Er lief voran, in den Bach, halb schwimmend, halb watend, die Maschinenpistole über dem Kopf, den Bach entlang, wo er Martino gefolgt war, es ging schnell, drei, vier Minuten, dann waren sie plötzlich unterhalb des Klosters, sahen die Mauern über sich. Genau vor ihnen schlugen die Granaten jetzt ein. Gino schrie auf, Blut netzte Brenskis Wange. Er stieß Gino zurück. »Bleib hier liegen!«
    Gino mußte für sich selbst sorgen. Er hatte ja sein Verbandszeug. Sanitäter? Da konnte man nur lachen. Nicht in diesem Krieg, nicht auf republikanischer Seite.
    »Sprung auf, marsch, marsch!« Und sie brüllten und hetzten über die letzten Meter, genau auf die Lücke zu, die die Granaten in das Mauerwerk geschossen hatten, und ihr Gebrüll klang in der Stille, die dem Feuerschlag folgte, wie das Gebrüll von tausend Mann.
    Ob tausend fallen …
    Das stand in der Bibel und nicht bei Karl Marx.
    Brenski war durch, befand sich in einer Art Wehrgang, tote und verwundete Nacionales lagen herum, er sprang über sie hinweg, lief auf das Bollwerk zu, wo er die Köpfe über dem MG sah. Er warf sich hin, schleuderte im Zu-Boden-Gehen die Handgranate.
    Das MG flog hoch, die Köpfe der beiden Soldaten verschwanden.
    Bull McKenzie stieß einem National-Soldaten das Bajonett in die Brust, Ed schoß einen anderen nieder, sie waren in dem Bollwerk, einer zur MG-Stellung konvertierten Andachtsnische, in der immer noch die Statue der Santa Maria de la Sierra stand, unverletzt, mit diesem verzeihenden Lächeln auf den steinernen Lippen, als sei dies alles nur vergängliches Stückwerk.
    Aber sie machten ganze Arbeit. In fünf Minuten war der Kampf vorbei. Es konnte nicht anders sein. Sie gewannen oder sie starben. Aber zum Sterben war es noch zu früh.
    »Wir haben fast hundert Gefangene!« sagte Bull zu Brenski. »An die Wand mit ihnen?«
    Hundert Menschen.
    Er hatte gedacht, ein halbes Dutzend vielleicht, als er davon sprach, keine Gefangenen zu machen. Aber hundert?
    »Bringt sie in den Keller. Drei Mann Wache.«
    Bull sah ihn mit halb geschlossenen Augen an. »Du weißt, was du gesagt hast. Und du weißt auch, daß die uns schön zu schaffen machen können, wenn sie den ersten Schock überwunden haben.«
    »Hast du meinen Befehl gehört oder nicht?« fragte Brenski leise.
    Bull biß sich auf die Lippen.
    »Ob Sie meinen Befehl verstanden haben, Genosse McKenzie?« Jetzt mit lauter Stimme.
    »Sí, Camarada Sergeant.«
    »Okay, dann mach, daß er ausgeführt wird.«
    Wut war in ihm. Wut und Ohnmacht.
    Sie hatten gewonnen. Sie hatten das Kloster erobert. Wenn nun die 51er noch vor den Marokkanern Francos hier ankamen, dann war der Weg nach Madrid wieder frei.
    Wenn.
    »Außenmauern sichern! Ed, Sie kommen mit mir!«
    Er stieß die Tür zum eigentlichen Kloster auf, und er verhielt, weil es wie eine Traumvision war.
    Ein grüner Garten mit gepflegten Bäumen, Blumenbeeten und immergrünen Rankengewächsen. Ein Kreuzgang mit geschwungenen Arkaden. Ein Geruch nach Jasmin und Rosen.
    Ed pfiff durch die Zähne.

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