Der Gesang von Liebe und Hass
einmal beiseite lassen? Können wir einmal vernünftig miteinander reden? Genau auf die Tapferkeit, auf den Mumm von diesen Internacionales habe ich gebaut. Glauben Sie denn im Ernst, eines unserer Arbeiter-Bataillone hätte das geschafft?«
»Danke für die Blumen. Aber ich möchte Brenski und seine Leute lebend zurückhaben. Und das heißt, daß Sie sofort die Einundfünfziger in Marsch setzen lassen, damit die das Kloster besetzen können.«
Vegas griff müde nach dem Weinkrug. Er goß sich einen tönernen Becher voll, trank. Dann nahm er eine Meldung vom Nagel, wo schon ein faustdicker Haufen anderer Meldungen aufgespießt war.
»Sie waren ja eine Viertelstunde lang nicht hier, Colonel. Es hat sich allerlei getan in der Viertelstunde …«
Er schob dem Colonel die Meldung hin.
Der nahm zögernd, so, als schäme er sich dieser Schwäche, eine Lesebrille mit einem Nickelgestell aus der Brusttasche seiner Lederjacke, setzte sie auf und las. Dann ließ er die Hand mit der Meldung sinken. Er blickte Vegas ratlos an.
»Sí«, sagte Vegas und nahm ihm die Meldung aus der Hand. »Die Einundfünfziger gibt es nicht mehr. Sie sind auf der Straße nach Guevara mit den Marokkanern zusammengestoßen und praktisch aufgerieben worden.« Er spießte die Meldung wieder auf. »Aber zum Trost – die Marokkaner haben solche Verluste, daß sie auch nicht weiterkönnen. Sie warten auf Verstärkung. Und jetzt können wir nur den lieben obersten Genossen in Madrid bitten, daß er uns die ganze Zweite Internationale Brigade freistellt, damit die das Loch in der Front beim Kloster stopft. Denn sonst sind Brenski und seine Leute wie Schiffbrüchige auf einem Floß im offenen Meer, von Haien umgeben.«
Der Colonel stand auf und trat an die Stabskarte, die an die Wand neben dem Fenster gepinnt war.
»Das Gros der Zweiten Brigade steht bei Antonovo, dreißig Kilometer von hier.«
»Ihre Brigade ist voll motorisiert. Wenn der General will, kann sie in einer Stunde bei Santa Maria de la Sierra sein.«
Der Colonel nickte. »Wenn er will. Aber wer stopft dann das Loch bei Antonovo?«
Der Major stand auf und trat neben ihn. »Hier, sehen Sie, hier können wir die Front verkürzen. Hier brauchen wir statt der drei Bataillone der Brigade nur ein einziges – vorausgesetzt, es darf die schweren Waffen der Brigade behalten.«
»Die bekomme ich nie mehr zurück!« fuhr der Colonel auf.
Der Major sah ihn ausdruckslos an. »In Barcelona ist eine Schiffsladung mit Geschützen, Tanks und Lastwagen von unseren Freunden in der Sowjetunion angelandet. Man wird Sie berücksichtigen, Genosse Oberst.«
Der Oberst knöpfte sich die Lederjacke zu, als sei ihm plötzlich in der Abendluft zu kühl geworden.
»Tun Sie, was Sie für richtig halten, Major Vegas.«
»Ich bin verantwortlich für die Operation Paradiesvogel, Camarada Colonel. Ich muß tun, was meine Pflicht ist. Und ich werde dafür sorgen, daß morgen früh nicht dreißig, sondern dreitausend Mann Ihrer Internationalen Brigade bei Santa Maria de la Sierra stehen.«
Brenski hatte kaum mit etwas anderem gerechnet. Er durchschaute das Spiel, das der Stab unter Major Vegas mit ihm trieb, aber er konnte denen da hinten nicht einmal böse sein. Er war ein Freiwilliger, nicht nur für diesen Krieg, sondern auch für dieses Unternehmen, die Operation Paradiesvogel, und er konnte glücklich sein, daß sie überhaupt noch lebten, daß ihnen dieser wie Irrsinn erscheinende Streich gelungen war, das Kloster in die Hand zu bekommen.
Mañana. Morgen ist ein anderer Tag. Sie würden die Nacht schon überstehen. Es würden noch einige der Verwundeten sterben, sie konnten vielleicht Ärger mit den Gefangenen unten im Keller bekommen. Aber nach der kleinen Ansprache, die er Francos Bauernburschen gerade gehalten hatte, erwartete er von daher eigentlich keinen Kummer mehr. Er hatte ihnen schlicht eine geballte Ladung von Handgranaten gezeigt und ihnen gesagt, daß die Wachen diese Ladung in den Keller werfen würden, wenn auch nur der leiseste Muckser von dort käme. Man werde die Gefangenen mit Wasser versorgen und mit so viel Verpflegung, wie das Kloster aufzubieten habe. Aber vorher müßte er sich bei der Schwester Oberin vergewissern. Einer der Gefangenen, ein junger Bursche, der direkt unter der Steintreppe saß, grinste ihn an, als er die Schwester Oberin erwähnte, und Brenski konnte nicht anders als zurückgrinsen.
Jetzt stand er an der Balustrade und schaute nach Westen zu den Hügeln hin,
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