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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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sich auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Ich hatte auch einen Hund, Chico hieß er, er war ein echter Spaniel, mit roten Flecken auf seinem weißen, kurzhaarigen Fell.«
    »Was heißt war? Lebt er nicht mehr?«
    »Drei Jahre sind eine lange Zeit für einen Hund. Drei Jahre sind wie einundzwanzig Jahre beim Menschen.« Plötzlich liefen ihr Tränen über die Wangen.
    Brenski hockte sich neben sie, wischte mit seiner Hand ihre Tränen weg. Er hatte starke Hände, und sie waren schwielig, aber wenn er wollte, konnten sie sehr zart sein. Er hatte nur bisher in seinem Leben noch nicht viel Grund gehabt, seine Hände zart sein zu lassen. Er war dreißig Jahre alt geworden, ohne eine Frau richtig geliebt zu haben. Gewiß, er hatte schort seit seinem sechzehnten Lebensjahr mit Mädchen und mit Frauen geschlafen, da waren blonde und braune, rot- und schwarzhaarige, doch keine hatte ihn gefesselt. Er hatte sie nicht gesucht, aber er wußte mit Sicherheit, daß er hier seine Frau gefunden hatte – wenn sie nur wollte.
    »Komm, leg dich hin«, sagte Maria Christina, »es ist an der Zeit, daß ich dich ablöse.«
    »Ich würde dich gern schlafen lassen, aber ich muß morgen auch ausgeschlafen sein. Morgen ist unser gefährlichster Tag, weil wir uns zwischen den Fronten bewegen. Vielleicht bleiben wir auch noch hier, bis der Sturm von Santa Maria de la Sierra vorübergezogen ist. Ich muß es mir überlegen. Ich wünschte, ich könnte dich schlafen lassen, aber jetzt sind wir beide Soldaten.«
    Sie blickte zu ihm auf. »Und für welche Sache?«
    »Für unsere Sache.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich werde dich nach Córdoba zurückbringen.«
    »Und dann?«
    »Dann werden wir weitersehen. Ich bin es gewöhnt, unterwegs, auf der Straße, zu sein, aber davon werde ich dir morgen erzählen.«
    Sie kletterte aus dem Schlafsack. »Du brauchst mich nicht nach Córdoba zu bringen. Vielleicht finden wir irgendwo ein Haus, weit weg. Ich habe einen Onkel in Santiago de Compostela, das ist der liebste Mensch auf der Welt. Aber die Familie will mit ihm nichts zu tun haben, weil seine Mutter eine Jüdin war und er ihren Glauben angenommen hat.«
    »Also auch hier, in Spanien.«
    »Was – hier?«
    »Die Saat der Faschisten geht auf – der Antisemitismus.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du täuschst dich. Das ist in Spanien schon immer so gewesen. Denk daran, daß in der Inquisition, die über drei Jahrhunderte anhielt, hier Hunderttausende von Menschen ums Leben gebracht worden sind, angebliche Ketzer. Die meisten waren Juden.«
    Er preßte die Lippen aufeinander. Für dieses Land kämpfte er. Aber er hatte es ja gewußt. Und deshalb war er auch bewußt in die Internationalen Brigaden gegangen, um für ein freieres, tolerantes Spanien zu kämpfen.
    Aber der ewige, unsichtbare Feind war überall.
    Nun gut, dann werden wir ihn überall bekämpfen.
    Er kroch in den Schlafsack, spürte die Lippen Maria Christinas auf seiner Wange und war Sekunden später eingeschlafen.
    Wenn man durch den Wald an den See kam, dann sprang Ajax immer voraus. Das war, als er größer wurde. Als er ganz klein war und Paul ihn mitgenommen hatte in den Wald, auf den ersten Spaziergang, da hatte der kleine, schwarze Cocker die Hinterläufe vor lauter Angst vor den großen Bäumen eingeknickt und sich eng an Pauls Beine geschmiegt. ›Komm, du brauchst keine Angst zu haben‹, sagte Paul. Aber Ajax zitterte, und Paul nahm ihn auf seinen Arm und ging zu den Bäumen hin und sagte: ›Hier, schnuppere, schau zu, ich kann den Baum sogar schlagen, und er schlägt nicht zurück.‹ Ajax schnupperte an der Rinde, und dann begann er zu strampeln, um sich aus Pauls Armen zu befreien. Er sprang runter, lief um den Baum herum – und hob zum erstenmal sein Beinchen. Bisher hatte er sich immer hingehockt wie eine Hündin, aber jetzt war er ein erwachsener Hund in einem großen Wald mit hohen Bäumen, die ihm alle nichts anhaben konnten. Er begann zu bellen und tollte im Unterholz herum, scheuchte zwei Eichelhäher auf, die laut schimpfend abstrichen, und auch Paul begann zu laufen, und so erreichten sie den See. Paul streifte seine kurzen Hosen ab, schlenkerte die Sandalen von den Füßen, zog Unterhemd und Unterhose aus, warf sie einfach hin, was sonst nicht seine Art war, und hechtete in den See. Das Wasser war eisig kalt, und er kraulte wie ein Wilder, als könnte er so der Kälte entkommen. Ajax blieb kläffend am Ufer stehen. ›Komm!‹ rief Paul, ›komm rein, Ajax‹,

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