Der Gesang von Liebe und Hass
Vorspeise, zu Meeresschnecken in einer Zitronensoße und zum Nachtisch für Mousse au Chocolat, die es bei ihnen zu Hause nie gab. Zu Hause gab es große Braten aus Lendenstücken, garniert mit Gemüsen, manchmal auch Geflügel und zur Jagdzeit natürlich Wild mit Maronenmus.
Die Speisen dämpften das Prickeln und Flattern des Champagners in ihrer Brust ein wenig, aber der Wein, der zum Essen gereicht wurde, ließ es wieder aufleben, nur auf eine andere Art; er flatterte in ihrem Kopf, wirbelte ihre Gedanken durcheinander.
Sie schaute ihren Vater unter halb gesenkten Lidern an und stellte sich vor, sie sei seine Kameliendame.
›Was tut man mit einer Kameliendame, wenn man so gespeist hat?‹
›Man macht vielleicht eine kleine Spazierfahrt mit ihr und nimmt den Kaffee in ihrem Hause ein.‹
›Und dann?‹
›Nun, das kommt ganz darauf an, in welcher Laune so eine Kameliendame ist.‹
›Ach, bitte, antworte mir doch richtig.‹
›Manchmal wird sie sich umarmen lassen, manchmal aber auch wird sie ihren Liebhaber fortschicken.‹
›Ich möchte auch einmal einen Liebhaber haben.‹
›0 nein, meine kleine Maria Christina, das wirst du nie. Du wirst zu gegebener Zeit einen jungen Herrn heiraten und ein Haus führen und Kinder bekommen, wie es deine Mutter tat.‹
›Aber vorher …‹
›Für dich gibt es kein Vorher. Wenn du die Schule verläßt, wirst du eine Bildungsreise machen, vielleicht nach Frankreich, vielleicht nach Italien, und wenn du zurückkehrst, wirst du deine Wahl treffen und heiraten.‹
›Wenn das alles schon vorherbestimmt ist, ist es sehr langweilig.‹
›Das mag sein, aber es ist die Tradition.‹
In Paris war nichts Tradition, in Paris entkam sie ihrer Schwester und Tante und saß nun plötzlich in einer kleinen spanischen Bodega, war nun achtzehn, trug Schuhe mit hohen Absätzen, hatte das Haar gelöst, daß es um ihre Schultern flatterte, und Burton wickelte eine Haarsträhne um seine Hand und sagte: ›Es ist wie dunkles Kupfer, aus dem Funken sprühen.‹ Sie tanzten miteinander, und Burton hielt sie so, daß ihre Wange an seiner Wange lag.
›Ich liebe dich‹, sagte er, und sie dachte, ich liebe dich auch.
Sie war sich jedes Nervs ihres Körpers bewußt und der Berührung mit seinem Körper, aber mit in sein Zimmer im Hotel George V. in dem auch sie mit ihrer Schwester und ihrer Tante wohnte, ging sie nicht.
Denn ihre Schwester und Tante glichen aufgeregten Krähen, die Burton von ihrer Seite zerren wollten, aber er beschwichtigte sie und versprach, er werde, wie es sich gehöre, nach Córdoba kommen, und Maria Christina sei nichts geschehen, darauf gebe er sein Wort.
Aber die Tante führte sich in ihrer Suite weiterhin so auf, als sei ein großes Verbrechen geschehen; wie konnte sie, ein Mädchen aus einer der besten und ältesten spanischen Familien, es wagen, sich mit einem Fremden in aller Öffentlichkeit allein herumzutreiben? Jeder mußte sie ja für ein loses Frauenzimmer halten, und sie benutzte noch der Worte mehr, die Maria Christina gar nicht in ihrem Sprachschatz erwartet hätte. Und ihre Schwester Evita weinte, bekam Fieber und Schüttelfrost, sie konnte solche Szenen nicht ertragen.
Am nächsten Tag reisten sie nach Córdoba zurück.
Nun hatte Maria Christina doch Angst, was die Tante ihren Eltern berichten würde, aber sie erzählte nur, man habe einen reizenden jungen Mann in Paris getroffen, aus einer ausgezeichneten amerikanischen Familie Bostons, die ihren Ursprung auf die ersten Einwanderer des großen Kontinents zurückführe.
Und alle lächelten, ihr Vater sagte: ›Wie schön, daß nun eine meiner Töchter den großen amerikanischen Kontinent erobern wird.‹ Ihre Schwestern klatschten vor Freude in die Hände und tanzten um sie herum, und dann wurde es dunkel um Maria Christina, und sie hörte wieder die Stimme ihres Bruders …
›Ich habe getötet, ich habe Marcelito umgebracht‹, und sie preßte die Hände vor ihren Mund, damit niemand hören sollte, wie sie weinte, denn sie wußte, was geschehen würde, sie wußte, daß damit auch ihr Leben zu Ende war.
Brenski schüttelte sie sanft an der Schulter. Sie fuhr aus dem Schlaf hoch wie eine Ertrinkende, die sich zur rettenden Planke aufschwingt.
»Habe ich … Habe ich im Traum geschrien?«
Er schüttelte den Kopf. Ein Lächeln ging über seine harten Züge. »Nein, nicht geschrien, gewimmert hast du wie ein kleiner Hund. Wie mein Ajax, als er noch sehr klein war.«
Sie richtete
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