Der Gesang von Liebe und Hass
einmal einen Blick um sich, so wie Ferienreisende, die einen liebgewordenen Urlaubsort verlassen. Aber für sie gab es kein nächstes Jahr an diesem Ort. Sie waren keine Ferienreisenden. Sie waren zwei Menschen, allein zwischen den Fronten, und ihr Schicksal war so ungewiß wie das Schicksal Spaniens selbst.
»Vamos«, sagte Brenski nur, und er ging mit weiten Schritten voraus, den Bach entlang, über den sich neigenden Waldboden.
Der Forst erstreckte sich kilometerweit, und in der Nacht rasteten sie neben einer anderen Quelle.
»Es ist gut, daß wir noch Frühling haben«, sagte Maria Christina, während sie ihr Lager aus Farnkraut vorbereitete. »Im Sommer versiegen alle diese kleinen Quellen. Im Sommer ist Spanien die Hölle. Nur an der Küste und im Hochgebirge kann man es aushalten. Aber dort, in den Bergen, gibt es viele Stürme. Spanien ist kein Land mit freundlichem Gesicht.«
Brenski streckte die Hand aus und berührte ihren Arm. »Ich habe für Spanien gekämpft«, sagte er, »und ich liebe Spanien.«
»Meinst du, ich liebe es nicht?« Ihre Augen funkelten. »Spanien ist meine Heimat, und ich könnte mir kein anderes Land vorstellen, das ich so lieben wollte. Trotz allem.«
Brenski schaute auf seine Hände. »Was willst du tun, wenn wir einmal glücklich durch die Fronten sind?«
»Ich denke nicht daran. Noch sind wir nicht durch die Fronten.«
»Nein, noch nicht. Aber du hörst ja, daß wir nicht mehr fern davon sind.«
Der Abendwind trug das Wummern von Kanonen und Geschützen zu ihnen herüber. Es konnte zehn Kilometer entfernt sein, aber auch nur drei oder vier.
»Glaubst du, daß es morgen soweit ist?« Er konnte die Angst in ihrer Stimme hören. Bisher waren sie auf einer Art Ausflug gewesen, aber das würde morgen vorbei sein.
»Ja, das glaube ich.«
»Wenn wir nun – ich meine, wenn wir getrennt werden?«
»Du hast von deinem Onkel gesprochen, in Santiago de Compostela.«
Sie sah ihn bedrückt an. »Ich würde es schon schaffen. Aber du? Wenn dich die Guardia Civil Francos aufgreift, dann bist du verloren.«
»Ich werde wie ein Schatten durch das Land gehen.«
»Aber du bist kein Schatten.« Sie streckte ihre Hände aus, ihre Fingerspitzen glitten über seine Wangen. »Du bist kein Schatten.«
Er legte seine Arme um Maria Christina. Sie war so stark und widerstandsfähig, wenn es sein mußte, bei ihrer Flucht durch die Sierra, aber ihr Körper war zart und zerbrechlich, und auch jung und fest und für die Liebe geschaffen.
Er zog sie langsam an sich, sie blickte ihm in die Augen, dann fand sein Mund ihre Lippen. Sie zögerte einen Moment, aber dann öffneten sich ihre Lippen, und sie preßte sich an ihn, als wollte sie ihn nie mehr loslassen.
Er knöpfte die Tunika der Uniform auf, die ihr viel zu groß war. Darunter war sie nackt. Ihre Brüste drängten sich in seine Hände. Sie fielen auf das Lager aus Farn zurück. Er streifte ihre Männerhosen ab, und sie lag entblößt vor ihm. Sie hatte die Augen geschlossen und die Knie fest zusammengepreßt.
Ich bin eine Braut Christi … Es ist Sünde … Wir sind nicht verheiratet … Es ist eine Sünde, die mir nie vergeben wird …
Zuerst entwand sie sich Brenskis Händen, doch dann ließ sie es geschehen.
»Der Mond … Der Mond«, stöhnte sie, »der Mond fällt auf uns herab …«
In einem Schrei, der durch den Wald hallte, alle Vorsicht vergessend, fanden sie sich.
Am Nachmittag des nächsten Tages stießen sie auf eine Blockhütte, mitten im Wald. Brenski brach die verschlossene Tür mit seinem Dolch auf. Und sie fanden einen Goldschatz, mehr noch, vielleicht den Passierschein für ihr neues Leben: Männer- und Frauenkleidung in einem der Schränke an der Fensterwand.
Sie probierten sie an. Brenski paßte die Khakihose, paßte auch das grüne Jagdhemd. Der braune Rock, den Maria Christina fand, war ihr zu lang, paßte aber in der Taille. Nur mit den Blusen kam sie nicht zurecht. Sie saßen zu eng, und sie entschied sich für ein Männerhemd.
In der Cueva unter dem Blockhaus fanden sie Konservendosen und Wein. Im Kamin schichteten sie ein Feuer auf, in dem sie die Uniformen der republikanischen Armee verbrannten. Dann aßen sie Corned Beef, Käse und Aprikosen aus einer Dose, tranken Wein dazu. Sie liebten sich in der Schlafkammer der Blockhütte.
»Ich möchte nie mehr weg«, sagte Maria Christina. Sie lag eng an Brenski geschmiegt, ihr nackter, warmer Körper jetzt schon vertraut.
»Wir müssen weiter. Du mußt
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