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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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»Weiber haben sie auch dabei! Und was für welche!«
    »Platz machen!« befahl eine herrische Stimme. Ein Offizier trat ein.
    »Aufstehen!«
    Die Frauen erhoben sich, bis auf Agostina, die weder das Aufkrachen der Tür noch die Stimmen geweckt hatten. Der Offizier trat vor und stieß ihr mit einem Stock, wie ihn sonst nur die englischen Kolonialoffiziere zu tragen pflegten, in die Seite.
    Agostina fuhr auf, sah den fremden Mann im Dunkel, nur erhellt von der Stablampe, und schrie.
    Der Offizier verpaßte ihr einen Schlag mit dem Rohrstock quer übers Gesicht. Einen Moment lang verharrte Agostina, dann sprang sie hoch wie eine Katze, hing an dem Offizier, und ihre Fingernägel krallten sich in sein Gesicht. Der Offizier fiel zurück, die Soldaten sprangen vor, rissen Agostina von dem Offizier weg, warfen sie zu Boden. Zwei hielten sie fest, während ein dritter seine Hose öffnete.
    »Laßt sie in Ruhe!« schrie Mama Elena.
    Sie erhielt einen Schlag mit einem Gewehrkolben und fiel rücklings zu Boden, mit dem Kopf auf die Steinkante des Kamins aufschlagend.
    Maria Christina spürte vier, sechs, acht Hände auf sich, sie rissen ihr die Kleidung herunter, sie schrie, wollte schreien, nein, nein, aber da lag sie schon am Boden, und ein Kerl mit einem braunen, pockenzernarbten Gesicht warf sich über sie, drang in sie ein, daß ihr der Schmerz bis in den Kopf hochfuhr, und sie konnte nur noch ohnmächtig wimmern, ihre Arme zurückgepreßt von zwei anderen Soldaten.
    Agostina schrie, und dann schrie auch Mama Elena und die vier Frauen in der Schlafkammer. Aber es nützte ihnen allen nichts.
    Beim vierten Soldaten spürte Maria Christina nur noch dumpfen, endlosen Schmerz, spürte die Wut, mit der die Soldaten ihr in die Brüste bissen, mit der sie ihr die Beine zerkratzten, roch ihren ekligen Gestank, dann war Licht da, jemand hatte Feuer im Kamin gemacht, und eine Stimme fragte immer wieder: »Wo ist dein Sohn, du alte Hure?« und immer wieder kam die Antwort von Mama Elena: »So such ihn doch, du Sohn einer Hure von der Rambla.«
    Maria Christina hörte das Klatschen von Schlägen, aber Elena schrie nicht mehr. Sie roch den abstoßenden Geruch von versengtem Fleisch, sah aus dem Augenwinkel, wie der Offizier mit dem glühenden Ende einer Zigarette Muster in die Brüste von Mama Elena stanzte, die immer noch voll und groß und rund waren wie die Melonen ihrer Heimat.
    Nur das nicht.
    Erdulden.
    Ertragen.
    Sie hatte es gelernt.
    Und während die Soldaten ihre Gier an ihr ausließen, betete Maria Christina leise vor sich hin.
    Maria de la Sierra, heilige Jungfrau, steh uns bei. Steh unseren Männern bei. Heilige Teresa, hilf uns in der Stunde der Not.
    Und dann, als senke sich der Vorhang nach einem in den Wahnsinn treibenden, höllischen Theaterstück, war alles vorbei. Mit einem Schnitt seines Messers trennte der Offizier Mama Elena die Kehle durch, Agostinas Schrei erstickte im Gurgeln ihres Blutes, Maria Christina spürte den Stich im Hals, dann wurde alles schwarz.
    Sie sahen den Feuerschein schon von weitem.
    El Corazón ließ sie halten.
    »Das ist die Hütte«, flüsterte er fassungslos.
    »Sí, das ist die Hütte«, sagte Brenski.
    »Sie werden auf uns warten, die Hurensöhne. Sie rechnen damit, daß wir aus Angst um unsere Frauen den Kopf verlieren.«
    »Ich werde das Terrain sondieren, ich gehe allein.«
    »Bist du verrückt geworden, Alemán?«
    »Gib mir noch dein Messer – und Ramón, deins brauche ich auch.«
    »Du willst doch nicht im Ernst da ganz allein …«
    »Wenn wir mehr wären, würden wir auffallen und tatsächlich in ihre Fallen laufen.«
    »Aber Ramón – er weiß doch, wo die Minen liegen!«
    »Das haben die auch gewußt, die da oben hocken, sonst würde die Hütte ja nicht brennen, oder?«
    El Corazón hatte seinen Kopf vorgereckt wie ein Toro in der Arena, wenn er den Matador besser erkennen will, wenn er mit den Füßen scharrt, um dann zum Angriff loszustürmen.
    Brenski legte ihm die Hand auf den Arm. »Laß mich gehen. Und – hab noch Hoffnung?«
    »Worauf denn?«
    »Vielleicht konnten sie entkommen.«
    »Das glaubst du selbst nicht.«
    »Warte, bis ich da war – und wieder zurück bin.«
    Die Hütte brannte, und Maria Christina war tot oder verschleppt, daran gab es kaum einen Zweifel. Er würde nur Leichen finden. Und er würde wieder allein sein wie schon so oft – wie immer schon – in seinem Leben.
    Dabei hatte er in den letzten Tagen gehofft, daß es jetzt vorbei sein

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