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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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bißchen zu schnell davon, und plötzlich sprang sie auf und hob die Arme in einem weiten Bogen und schnippte mit den Fingern, daß es sich fast wie Castagnetten anhörte, und sie tanzte einen Flamenco und sang dazu, und ehe wir es uns versahen, klatschten wir alle im Takt.«
    »Nur die Mutter Superior natürlich nicht.«
    »Natürlich nicht!«
    »Was mußtet ihr zur Buße tun?«
    »Wir alle mußten uns eine Woche lang dreimal am Tag in unseren Zellen flagellieren. Wir mußten den Rücken dem Gang zukehren, und die Madre Superior ging auf und ab, um zu sehen, ob wir uns auch nicht zu leicht peitschten. Und diese eine Woche lang bekamen wir nur ein Stück Brot am Tag und einen Becher Wasser. Am Ende der Woche war Antonia so schwach, daß niemand sie mehr retten konnte. Antonia war die Flamencotänzerin, und als sie starb, sagte die Mutter Superior: Seht, wie Gott richtet!«
    Maria Christina senkte den Kopf und blickte auf ihre Hände.
    »Ich hätte eben nicht lachen sollen. Aber ich dachte daran, wie wunderschön Antonia tanzte und daß es einen Moment lang war, als trüge sie leuchtende, seidene Kleider.«
    »Und was hat eure Mutter Superior zur Buße getan, daß sie das Mädchen getötet hat?«
    »Sie hat drei Monate lang nur von Wasser und Brot gelebt und den ganzen Tag mit ausgebreiteten Armen in der Kapelle betend und kniend zugebracht, bis der Padre es ihr verbot, der bei uns die Messe las. Und er war es auch, der zu uns predigte, daß Antonia nicht von Gott gestraft, sondern von ihm ausgezeichnet worden sei, indem er sie vorzeitig von allen irdischen Qualen erlöste.«
    »Und das habt ihr geglaubt?«
    »Ich schon.«
    Mama Elena schüttelte den Kopf. »Ein kluges junges Mädchen wie du?«
    »Ich denke, auch die anderen Novizinnen haben es geglaubt. Die Mutter Superior hat um ihre Versetzung gebeten, weil sie sich nicht länger würdig fühlte, über uns zu wachen und uns im Geiste Christi zu erziehen. Aber man beließ sie bei uns, und von da an war sie nicht mehr ganz so streng zu uns.«
    Mama Elena lächelte, und wie es schien, ein wenig traurig.
    »Du hast nie auf einer Kirmes hinter den Zelten mit einem Jungen gelegen, in der Dunkelheit, die noch dunkler war durch die hell erleuchteten Budengassen, wo die Zauberer ihre Tricks vorführten und die Männer mit den mächtigen Schnurrbärten die dickste Dame der Welt anpriesen, wo die Karussells und die Räder kreisten, wie heißen sie noch, die Kettenkarussells, ja, und die Geisterbahnen, all das Licht und die Gerüche nach gerösteten Nüssen und gebrannten Mandeln und nach dem klebrigen, spinnfädigen türkischen Honig. Der Lärm und der Staub und das Licht – und dahinter Dunkelheit und die Hände eines Jungen auf deinen Beinen, muchacha, hast du das nie erlebt?«
    Maria Christina senkte stumm den Kopf, aber nur einen Atemzug lang; dann hob sie ihre Augen wieder, reckte ihr Kinn vor und sagte: »Aber ich war in Paris und in der Dunkelheit an der Seine!«
    »Und was hast du da gemacht, in deinem Höllenbabel am Montmartre? Händchen gehalten?«
    »Ja«, gab Maria Christina kleinlaut zu, »aber es war schön.«
    »Wer war es denn?«
    »Er hieß Burton, und er wollte nach Spanien kommen und um meine Hand anhalten.«
    »Und dann hat euer Juan seinen Nebenbuhler erschossen, und seine brave Schwester mußte zur Buße ins Kloster.« Mama Elena legte den Arm um Maria Christinas Schulter. »Du bist schon ein armes, kleines Häschen. Aber deinen Alemán, den halt dir fest, hörst du. Ganz fest. Denn er ist ein Mann, dessen Füße immer weiter wollen, immer fremden Boden unter den Sohlen spüren. Wenn du nicht aufpaßt, läuft er dir davon.«
    »Er wird mir nicht davonlaufen. Ich glaube, daß er mich liebt.«
    »Das ist ein großes Wort. Mit der Liebe ist es wie mit dem Wetter. Einmal erwischt man einen guten Sommer, einmal einen schlechten mit lauter Gewittern und Regenschauern. Wer Glück hat, erlebt nur goldene Sommer.«
    »Und du, Mama Elena?«
    »Was – und ich?«
    »Wie waren deine Sommer?«
    »Ein bißchen von allem.« Sie lachte. »Nur Schnee ist in meinen Sommern nicht gefallen.«
    Sie ging zum Ofen, deckte das Feuer ab. »Wir sollten schlafen gehen. Die Wachen sind auf ihren Posten. Wir müssen Kräfte sparen für morgen. Es wird ein langer Marsch nach Alcacete.«
    »Wollt ihr das Lager wirklich angreifen? Dort liegen doch über dreihundert Regulares.«
    »Was sind schon dreihundert Regulares, wenn man sie im Schlaf überrascht? Ramón wird sich ins Lager

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