Der Geschichtenverkäufer
Kundenliste stehen, doch alle bildeten sich ein, der oder die einzige zu sein, wenigstens in den ersten Jahren. Sie hielten mich für monogam, das habe ich immer für einen besonders amüsanten Aspekt meiner Tätigkeit gehalten. Meine Kunden hatten nicht die geringste Ahnung, daß ich in Wirklichkeit ein skandalös promiskes Leben führte. Ich selber kam mir oft vor wie ein Polygamist, der mehrere Frauen zugleich bediente. Ich wußte von ihnen, sie wußten von mir, doch voneinander wußten sie nichts.
In einer Gesellschaft von sechs oder acht Personen konnten drei einen Plot von mir gekauft haben. Aber alle hielten sich für die absolute Ausnahme. So bewahrten sie sich den Respekt voreinander. Dafür lebten sie. Den Respekt vor sich selbst hatten viele längst verloren. Mangel an Selbstachtung kam damals so selten vor, daß er mir unweigerlich auffiel; heute würde ich ihn vielleicht gar nicht registrieren. Selbstachtung ist der Name eines seelischen Zustandes, der zusehends weniger anzutreffen ist. Als Tugend jedenfalls ist Selbstachtung ganz und gar aus der Mode gekommen.
Verständlicherweise verkündeten meine Kunden nicht lauthals, daß im nächsten Monat ein Roman erscheinen würde, der auf einem bei mir gekauften Sujet basierte. Etwas anderes war ihre gelegentliche Sorge, ich könnte mich vergessen und zum Beispiel erklären, Berits von der Kritik so geschätzter Kriminalroman basiere auf einer sechs Seiten langen Synopsis, die ich ihr für viertausend Kronen verkauft hätte. Ich konnte diese Sorge leicht aus einem überspannten Lachen oder allzu häufigen, nicht gerade zwingenden Abschweifungen herauslesen.
Als wir im Theatercafe saßen und den hochangesehenen Preis feierten, den Karin für ihren letzten Roman erhalten hatte, ließ sie mich den ganzen Abend nicht aus den Augen. Sie fühlte sich nicht wohl. Ich fühlte mich bestens. Zu Beginn der Preisverleihung war vor allem auf den eleganten Aufbau des Werks hingewiesen worden. Ich fand das gut und richtig so. Ich war mit Karin zufrieden. Sie machte das Beste aus dem, was ich ihr anvertraut hatte, sie nutzte ihr Talent.
In einer solchen Runde besaß ich große Macht, und es war mir nur recht. Ich sah nichts Falsches darin, daß ich mich mächtig fühlte. Macht muß nicht zwangsläufig mißbraucht werden, dafür war ich ein gutes Beispiel. Ich hatte meine Macht immer mit anderen geteilt. Ich hatte immer über ungewöhnlich viel Phantasie verfügt, so viel, daß ich sie jetzt in großem Stil umverteilte. Das war vielleicht dreist, vielleicht auch kühn, aber vor allem war es großzügig. Für die Medien war es Berit, die Macht besaß, während ich ohnmächtig war. Wenn mir ein Platz in der Medienöffentlichkeit gefehlt hätte, wäre ich ein aufopferungsvoller Mensch gewesen. Aber ich habe mir diesen Platz nun einmal nie gewünscht.
Es interessierte mich, was die Autoren aus meinen Sujets machten, das war alles. Ich hatte eine Funktion, also mußte ich funktionieren. Und ich mußte von etwas leben, mir meinen Teil des Ertrags in einem Metier sichern, das immer mehr von meiner persönlichen Leistung abhängig war.
Wenn die Ergebnisse erträglich waren, hatte ich das angenehme Gefühl, von meiner eigenen Autorenherde umgeben zu ein. Mitunter fühlte ich mich wie der König in einem System des aufgeklärten Absolutismus. Ich war ein brauchbarer Schachspieler, noch besser jedoch beherrschte ich das Spiel mit lebenden Figuren. Ich zog gern an den Fäden und schaute belustigt dem Auftritt der stolzen Autoren zu. Es machte Spaß, ihnen beim Tanzen zuzusehen.
Obwohl ich in keinem Branchenverzeichnis stand, fand ich, daß mein Unternehmen einen Namen brauchte. Auf die dicken Ordner mit meinen Geschäftsunterlagen schrieb ich deshalb eines Tages AUTORENHILFSWERK. Dieser Name gefiel mir ausnehmend gut.
Meine Tätigkeit war abhängig vom bilateralen Kontakt mit den Autoren in meiner Wohnung und in der Stadt. Ich mußte das Kunststück lernen, mehrere beste Freunde auf einmal zu haben. Das führte zwangsläufig zu Einladungen zu Festen und Wochenendausflügen, zu allzu vielen.
Wenn der Kontakt erst hergestellt war, brauchte ich meinen Kunden meine Waren niemals aufzudrängen. Sobald sie neues Material suchten, kamen sie, sie kamen zu ihrem guten Onkel. Und wurden immer abhängiger von ihm. Einige hörten überhaupt auf, selbst zu denken; wenn sie sahen, was ich aus meinem Kaleidoskop der klugen Ideen zu liefern imstande war, schien ihr Gehirn jede Tätigkeit
Weitere Kostenlose Bücher