Der Geschichtenverkäufer
auch geistige Erzeugnisse als Waren angesehen würden. Es sei ungefähr so, wie wenn ein Maler sich für ein Bild bezahlen läßt. Das Bild wechselt den Besitzer, und natürlich kann der Maler nie wieder ein Eigentumsrecht auf das Kunstwerk geltend machen, für das er bereits bezahlt worden ist. Ich glaube, Johannes ließ sich gern davon überzeugen, daß es hier nur um einen ganz normalen Handel ging.
Er sagte: Ich kann nicht ausschließen, daß ich sie schon in dem Roman, an dem ich gerade arbeite, verwende.
Mir nur recht, sagte ich. Wahrscheinlich wirst du damit Geld verdienen, viel Geld womöglich, aber das sei dir gegönnt. Es ist nichts Unmoralisches daran, ein Bild für mehr Geld zu verkaufen, als man selbst dafür bezahlt hat. Man spricht in solchen Fällen von einer guten Investition.
Zum Glück brachte er selbst den sensibelsten Punkt der Transaktion aufs Tapet. Er zeigte auf die Blätter, die vor ihm lagen, und fragte: Wie kann ich sicher sein, daß du nie verraten wirst, daß sie in Wirklichkeit von dir stammen?
Ich sagte, es werde mir eine Freude sein, die Aphorismen gedruckt zu sehen, und erinnerte ihn an meinen sehnlichen Wunsch, vom Licht der Öffentlichkeit verschont zu bleiben. Ich sagte, ich hätte außerdem noch mehr davon auf Lager, ich säße auf Bergen von Notizen, weshalb es auch nicht ausgeschlossen sei, daß wir auf das Uema noch einmal zurückkämen. Wenn ich darüber redete, brächte ich mich also nur um die Möglichkeit, wieder mit ihm ins Geschäft zu kommen.
Das war ein wichtiger Punkt. Ich mußte klarstellen, daß ich das von mir Geschriebene nur und ausschließlich ihm anbieten würde. Das war die eigentliche Grundlage für den Aufbau eines Verkaufsnetzes mit einem großen Kundenkreis. Jeder und jede mußte sich darauf verlassen können, der oder die einzige Auserwählte zu sein, mein einziger Protege.
Ich hatte Grund zu der Annahme, daß ich mit dieser Strategie über viele Jahre hinweg sicher fahren würde. Autoren protzen schließlich nicht damit, daß sie einen Ghostwriter beschäftigen. Sie wollen als einzigartige, durch und durch authentische Persönlichkeiten erscheinen.
Wenn ich meine Karten richtig ausspielte, bestand kein Grund zu der Besorgnis, meine Kundschaft könne plaudern. Ich brauchte nicht zu befürchten, das Netz könnte reißen, denn ich wollte die Fäden ausschließlich zwischen mir und einzelnen Kunden spinnen. Fäden, die sie untereinander verbanden, sollte es nicht geben.
Johannes schaute sich in alle Richtungen um, dann beugte er sich über den Tisch und flüsterte: Du kannst sofort zweihundert Kronen haben. Für den Rest bekommst du einen Scheck, okay?
Ich nickte. Ich war vor allem zufrieden, weil ich ein wenig Bargeld bekam, nicht nur im Hinblick auf das Bier, das ich bezahlen mußte: die Banken hatten schon geschlossen, und der Abend war noch jung. Mit diskreten Bewegungen, die beinahe balletthaft einstudiert wirkten, zog er die beiden Hunderter und sein Scheckbuch hervor. Er schrieb den Scheck so langsam und nachdenklich aus, als unterzeichne er eine Steuererklärung, dann schob er mir Scheck und Geldscheine zu. Ich faltete im Gegenzug meine Blätter zusammen und schob sie über den Tisch. Wieder schaute er sich im Lokal um, sah aber nicht den kleinen Mann mit dem Bambusstock, der fast einem Kellner vor die Füße gelaufen wäre.
Rasch steckte Johannes die gefalteten Blätter in seine Jackentasche. Gehen wir? fragte er. Ich erklärte, ich wolle noch ein Bier. Vielen Dank, Petter, sagte er abschließend. Damit erhob er sich und steuerte den Ausgang an. Als er um die Ecke zur Garderobe bog, sah ich, daß er sich die Hand auf die Brust legte; vermutlich wollte er sich davon überzeugen, daß die goldgeränderten Bögen wirklich in seiner Tasche steckten. Ich spielte mit dem Gedanken, den Scheck zu fotokopieren, ehe ich das Geld abhob. Ich wußte nicht, warum, aber ich hatte das Gefühl, solche Andenken könnten sich irgendwann als wichtig erweisen.
Johannes hatte ein gutes Geschäft gemacht. Er verdiente an den Aphorismen ein Vielfaches des Kaufpreises. Aber so ist das mit Wertpapieren: man weiß nie, was sie später einmal wert sein werden. Ich brauchte das Geld damals sofort. Maria saß schließlich im Zug nach Stockholm.
Johannes ist vor kurzem gestorben. Die Nachwelt wird sich seiner präzisen, fast lapidaren Aphorismen erinnern.
Ich hatte früh beschlossen, ein und demselben Autor niemals unterschiedliche Genres zu verkaufen. Es wäre
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