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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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der Schrift.
    Um mein Autorenhilfswerk so rationell wie möglich betreiben zu können, setzte ich ein Schriftstück auf, dem ich die Überschrift »Zehn gute Ratschläge für angehende Autoren/Autorinnen« gab. Ich war kein Schullehrer. Ich hielt es für unter meiner Würde, mich immer aufs neue zu wiederholen. Da war es schon besser, den Klienten, die das offenbar brauchten, ein standardisiertes Schreiben in die Finger zu drücken. Aber auch das geschah unter vier Augen. Ich wies darauf hin, daß ich die zehn Ratschläge speziell für den jeweiligen Autor geschrieben hätte und natürlich erwartete, daß er mit dem sehr persönlichen Schreiben nicht an der Universität oder in der Stadt herumwedelte. Der Brief begann nicht mit »Zehn Ratschläge«, sondern mit »Lieber Anders« oder »Liebe Anne-Lise«.
    Im Laufe der Zeit lud ich mir auch eine gewisse seelsorgerische Verantwortung für diejenigen auf, die keine schriftstellerische Zukunft hatten. Das brachte neue Aufgaben mit sich. Viele junge Menschen mußten durch mich umdenken lernen. Weshalb ich auch »Zehn Ratschläge an jemanden, der kein Schriftsteller werden will« schrieb. Auch für diese Entscheidung konnte schließlich Respekt aufgebracht werden. Ich hatte sie ja selbst einmal getroffen. Mein erster Paragraph begann so:
    Es ist absolut möglich, auch ohne Schriftsteller zu sein ein vollwertiges Leben auf einem Planeten im Universum zu leben. Du bist nicht der oder die erste, die sich nach einem anderen Beruf umsehen mußte.
    Ich versuchte nie, mich bei den großen Dichtern einzuschmeicheln. Wenn ein großer Dichter nichts zu erzählen hat, dann macht er etwas anderes, vielleicht hackt er Holz. Ein großer Dichter sucht nicht verzweifelt nach einem Uema, er schreibt nur, wenn er muß. Ich selber war kein großer Dichter. Ich mußte mich regelmäßig von Gedanken befreien und lebe mit einer Art seelischer Inkontinenz; aber ich habe mich nie gezwungen gefühlt, einen Roman zu schreiben. Holz gehackt habe ich übrigens auch nie.
    Wenn ich einen neuen Kunden anwerben wollte, ging ich mit großer Vorsicht ans Werk. Ich durfte mein Vorhaben, ihm eine literarische Idee zu verkaufen, nicht verraten, solange er noch die Möglichkeit hatte, aus der Sache auszusteigen. Ich wiederum mußte meine Ware zurückziehen können, ehe meinem Gegenüber aufging, daß hier von Kaufen und Verkaufen die Rede war. Auf diese Weise konnte ich mich - wie eine fallende Katze - innerhalb von Sekundenbruchteilen umdrehen und die Sache so aussehen lassen, als habe ich jemanden nur um seine Ansichten zu einem Uema bitten wollen, an dem ich gerade arbeitete. Kaufst du mir das ab? hatte ich gefragt, das ließ sich nicht leugnen, aber ich konnte es so darstellen, als habe ich nur fragen wollen, ob ihm das Gelesene plausibel erscheine. Bisweilen wurde so die Situation auf den Kopf gestellt. Plötzlich mußte ich mir die Kommentare eines erfahrenen Autors anhören. Es war demütigend.
    Aber ich beherrschte die Kunst, um den heißen Brei herumzureden. Ich hatte sie schon zu Zeiten perfektioniert, als ich fremde Mädchen ansprach, um sie ins Theater oder ins Kino einzuladen. Um den heißen Brei herumzureden ist eine Art Spontantheater, es läßt sich mit dem Seiltanz ohne Sicherheitsnetz vergleichen. Die Fallhöhe kann gefährlich sein, aber es ist ein hervorragendes Training für die Kreativität.
    Einige wenige Male kam es vor, daß meine Dienste abgelehnt wurden, nachdem ich sie ausführlich geschildert hatte. Manche hoben die Augenbrauen, andere schüttelten den Kopf, noch andere protestierten energisch. Nicht, weil ihnen das, was ich anzubieten hatte, nicht gefiel, eher war das Gegenteil der Fall: ich glaube, es gefiel ihnen sehr gut, sie erkannten durchaus den Wert der Ware, die sie hier auf leichte Weise in ihren Besitz hätten bringen können. Ich konnte sehen, wie sie mit der Versuchung kämpften, und sei es nur für Sekunden; ich genoß diese Augenblicke. Auf lange Sicht bedeuteten diese unbestechlichen Autoren freilich ein beträchtliches Sicherheitsrisiko für das Autorenhilfswerk.
    Die Unbestechlichen waren unbesudelt. Sie riskierten nichts, wenn sie mein Angebot anderen Kollegen gegenüber erwähnten. Also mußte ich mich auch ihnen widmen, sie im Auge behalten. Trotzdem sind die ersten Gerüchte über meine Aktivitäten vermutlich in diesen Kreisen aufgekommen. Vermutlich waren es die makellosen Autoren, die den Begriff »Spinne« in Umlauf brachten. Der Begriff hatte nichts mit

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