Der Geschichtenverkäufer
Meter wurde langsam zu einer Parodie seiner selbst.
Luigi schien schon das Uema gewechselt zu haben, als er plötzlich fragte: Kennst du einen Roman Dreifachmord post mortem ?
Ich fuhr zusammen. Und er mußte es gesehen haben. Das war Roberts Kriminalroman, sein Buch war zwei Jahre zuvor veröffentlicht worden.
Es gibt einen norwegischen Roman mit diesem Titel, sagte ich. Ich glaube aber nicht, daß der für Italien geeignet ist, Luigi.
Er lachte, fast resigniert. Dann sagte er: Ich habe davon gehört, das ist der Grund, warum ich mit dir rede. Aber ich denke auch an einen deutschen Roman, der kürzlich ins Italienische übersetzt wurde. Der italienische Verleger sagte mir, es habe ihn doch leicht irritiert, als er vor wenigen Tagen hören mußte, daß ein im selben Jahr erschienener norwegischer Roman auf genau derselben Idee aufbaut. Die Geschichten sollen einander so ähnlich sein, daß von einem Zufall nicht mehr die Rede sein kann.
Meine Wangen glühten. Maria hatte sich wieder gemeldet. Ich versuchte, meine zitternden Hände vor Luigis Blicken zu verbergen.
Ich konnte mich klar und deutlich daran erinnern, wie ich Maria im Studentenheim besucht hatte, damals, als wir ein Kind zu zeugen versuchten. Wir hatten uns in der Küche Eier und Speck gebraten, dann waren wir auf ihr Zimmer zurückgegangen und hatten uns auf ihr Schlafsofa gelegt. Dort hatte ich Maria die Geschichte des Dreifachmordes post mortem erzählt. Die Geschichte war dort an Ort und Stelle entstanden, später hatte ich mir ein paar Stichworte notiert und erst wieder daran gedacht, als ich sie viele Jahre später für Robert hervorkramte. In einer flämischen Umgebung hatte ich die Geschichte angesiedelt, weil seine Mutter Flämin war.
Und von wem stammt dieser deutsche Roman? fragte ich.
Von einer Autorin namens Wittmann, sagte Luigi. Wilhelmine Wittmann.
Er hatte sein Zigarillo ausgedrückt und schaute über die Piazza. Er sagte: Sieht fast so aus, als wäre die Spinne auf ihre alten Tage leicht vergeßlich geworden.
Er wußte nicht, wie sehr diese Worte mich trafen. In all den Jahren hatte ich sorgfältig darauf geachtet, daß keine Doubletten auftauchen konnten. Die einzige, die je eine Art vertrauliche Sonderstellung bekleidet hatte, war Maria gewesen; doch das war fast dreißig Jahre her, das Autorenhilfswerk hatte damals noch gar nicht existiert. Wir hatten seit sechsundzwanzig Jahren nichts mehr voneinander gehört, nun meldete sie sich also zu Wort. Ich mußte sofort Kontakt zu ihr aufnehmen, das ließ sich nicht vermeiden. Im nächsten Augenblick kam mir ein Gedanke, den ich noch nie gedacht hatte: ich hatte Maria nicht nach ihrem Nachnamen gefragt. Das mag seltsam klingen, aber wir waren nur einige Monate zusammen, und in den siebziger Jahren spielten Nachnamen keine Rolle. An Marias Zimmertür hatte nur eine Porzellanscherbe gehangen, auf die sie in großen roten Buchstaben MARIA gemalt hatte. Sobald ihre Schwangerschaft feststand, hatte sie mir ihre neue Adresse und ihren Nachnamen wahrscheinlich sogar bewußt vorenthalten. Ich wußte nur von der Stelle als Konservatorin an einem Stockholmer Museum. Die Welt ist klein, doch ein Heuhaufen ist groß, wenn wir nach einer verrosteten Nadel suchen müssen, dachte ich im stillen.
Scheint spannend zu werden, sagte ich. Wir müssen die Entwicklung im Auge behalten. Ich bin nicht die Spinne, aber ich höre mich gern um. Wenn ich etwas erfahre ...
Er fiel mir ins Wort: Schon gut, schon gut, Petter.
Ich kam mir dumm vor. Ich war müde. Ich hatte mich seit Mutters Tod müde gefühlt.
Ich sah ihn an: Was soll ich machen, Luigi?
Aus Bologna verschwinden, sagte er. Je eher, desto besser.
Ich lachte. Ich glaube, du hast zu viele Kriminalromane gelesen, sagte ich.
Er lächelte breiter. Luigi war immer schon ein Spaßvogel gewesen. Erzählte er mir aus Jux, daß jemand mir nach dem Leben trachtete?
Hatten Cristina und Luigi erraten, daß ich die Spinne war, und alles auf eine Karte gesetzt? Trieb Luigi seine Scherze mit mir? Vielleicht hatte er von dem Roman von einem norwegischen Verleger gehört. Vielleicht hatte er sich eine Option auf das Buch geben lassen und war erst dann darüber gestolpert, daß dieselbe Geschichte in zwei verschiedenen Ländern veröffentlicht worden war. Ich konnte mir nicht einmal sicher sein, ob der Corriere della Sera überhaupt einen Artikel zu dem Uema gebracht hatte.
Vielleicht wirst du Schutz brauchen, sagte er.
Leibwächter, dachte ich. Der Gedanke
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