Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
Vom Netzwerk:
Frauen, die ich von früher her gut kannte, aber auch solche, die mir kürzlich erst vorgestellt worden waren. Auf Buchmessen trifft man selten Ehepartner, und in Bologna waren beide Geschlechter etwa gleich vertreten. Ich hatte immer ein Doppelzimmer im Baglioni. Viele Verlagsfrauen und Agentinnen wohnten schlichter.
    Ich entdeckte Cristina, sie saß zusammen mit Luigi in einem benachbarten Lokal. Luigi war nicht nur selber ein hervorragender Verleger, er war außerdem der Sohn des legendären Mario. Bei einem Besuch in Mailand hatte mir Mario seine Loge in der Scala überlassen; es wurde eine brauchbare Turandot gegeben.
    Als ich Luigi entdeckte, mußte ich sofort an Mutter denken. Mutter hätte gern in Marios Loge in der Scala gesessen, sie hätte dort ausgesehen wie eine Königin. Aber ich hatte den Abend in der Loge allein verbracht. Wenn Mutter noch gelebt hätte, hätte es vielleicht auch kein Autorenhilfswerk gegeben; doch dann hätte ich wohl auch Mario nicht kennengelernt. Wenn Mutter nur ein wenig länger gelebt hätte, wäre alles anders gekommen, vielleicht wäre mir auch Maria nie über den Weg gelaufen.
    Wieder mußte ich an das Schachgeheimnis denken. Seit seinem Erscheinen waren jetzt mehrere Jahre vergangen.
    Ich hatte die Synopsis sofort aus dem Ordner mit den verkäuflichen Romannotizen gerissen und in den Papierkorb geworfen. Doch was könnte Marias nächster Zug sein? Ich war müde.
    An einem Tisch in der Nähe wurde eine mir unverständliche slawische Sprache gesprochen, dennoch hatte ich den Eindruck, es gehe um mich. Ich hörte auch hinter mir Stimmen, und ich stellte mir vor, daß das ganze Lokal über die Spinne redete. Mir fiel Hans Christian Andersens Märchen von der Feder ein, die zu fünf Hühnern wurde. Weitergehen! Weitergehen! Auf jeder Buchmesse brodelt die Gerüchteküche, das war nichts Neues, aber diesmal ging es um mich. Ich empfand einen Stich der Angst, mir war nicht klar, warum, aber ich machte mir große Sorgen. Vielleicht waren Hans Christian Andersen und die starren Blicke in meinem Nacken etwas, das ich mir nur einbildete. Wer gerade eine Paranoia entwickelt, sollte sich nicht zu lange auf einer Buchmesse aufhalten.
    Ich beschloß, ins Hotel zu gehen und ein Schlafmittel zu nehmen, doch dann fiel mir ein, was Cristina am Morgen auf der Messe gesagt hatte. Ich legte das Geld für das Bier auf den Tisch und ging zwischen den Restauranttischen auf Cristina und Luigi zu. Sie hatten mich noch nicht gesehen. Ich tippte Cristina auf die Schulter und fragte: Corriere della Sera?
    Beide fuhren hoch. Vielleicht hatten sie ebenfalls über mich gesprochen. Cristina schaute unvermittelt auf die Uhr und sagte, sie müsse los. Ich fand es seltsam, daß sie genau in dem Moment davonstürzte, in dem ich gekommen war. Früher an diesem Tag war sie mit dem Portugiesen abgezogen, jetzt bot sie mir einfach ihren Stuhl an, winkte zum Abschied und lief über den Platz in Richtung Dom. Dabei tauschte sie noch rasch einen Blick mit Luigi. Sein Blick schien zu sagen: Geh nur. Um Petter kümmere ich mich.
    Ich schaute Luigi an. Was hat im Corriere della Sera gestanden? fragte ich.
    Er ließ sich auf seinem Stuhl zurücksinken und fischte eine Schachtel Zigarillos aus der Jackentasche. Das bedeutete, daß die Sache lange dauern konnte. Er fragte: Hast du von der Spinne gehört?
    Natürlich, sagte ich. Ich höre alles.
    Gut, sagte er. Er trank einen Schluck Bier. Luigi war ein Mann weniger Worte, er war die Bedächtigkeit in Person.
    Stand im Corriere della Sera etwas über die Spinne?
    Er nickte.
    Ich glaube nicht, daß er merkte, wie ich zusammenzuckte. Ich versuchte mich zusammenzureißen.
    Dann wäre also zum ersten Mal etwas darüber geschrieben worden, sagte ich. Was genau schreiben sie?
    Er sagte: Ich kenne den Verfasser des Artikels sehr gut. Er schreibt auch für L’Espresso und sitzt gerade an einem längeren Feature, soviel ich weiß.
    Ich ärgerte mich. Ich streckte die Hand nach ihm aus: Ich will wissen, was er schreibt.
    Nur Luigi konnte auf diese Weise lächeln. Stefano hält die Spinne für einen Norweger.
    Wird ein Name genannt?
    Er schüttelte den Kopf. Ich flüsterte jetzt. Ich hatte das Gefühl, daß wir von einem Dutzend gespitzter Ohren umgeben waren.
    Er kann ein Norweger sein oder auch nicht, flüsterte ich, und Luigi bemerkte mein Flüstern sehr wohl. Ich sagte: Die Spinne ist überall, überall und nirgends. Ich glaube nicht, daß ich dir helfen kann, Luigi.
    Er fragte: Du

Weitere Kostenlose Bücher