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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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war mir neu und unbehaglich zugleich.
    Dieses eine Mal versagte sogar meine Phantasie. Der Gegendruck hatte einen schweren Deckel über den Druck geschoben, der von innen kam. Mir fehlten die Worte. Das Intelligenteste, was mir einfiel, war zu lachen. Es war billig, nichts, worauf ich mir etwas einbilden konnte.
    Das ist kein Grund zum Lachen, sagte Luigi.
    Ich war wütend. Ich war sauer, weil ich nicht wußte, ob er bluffte. Ich erhob mich und legte das Geld für den Wein auf den Tisch.
    Wohnst du im Baglioni? fragte er.
    Ich gab keine Antwort.
    Wann fährst du?
    Als ich auch auf diese Frage keine Antwort gab, hob er den Daumen.
    Er sagte: Sei ein bißchen vorsichtig, was die Damen betrifft.
    Wie meinst du das?
    Er grinste. Du giltst als ein wenig leichtlebig. Angeblich ist das deine einzige Schwäche. Nein?
    Ich nahm nicht an, daß er wirklich eine Antwort erwartete. Ich gab auch keine. Er begriff, Luigi war nicht dumm. Sollten zwei Männer allen Ernstes im Restaurant sitzen und darüber diskutieren, wie sie sich Frauen besorgten? Nein, das war kein Uema zwischen uns, es wäre nur peinlich geworden.
    Er sagte: Sie benutzen vielleicht einen Lockvogel. Sie könnten dir eine alte Freundin schicken.
    Ich schnaubte. Du liest zu viele Agentenromane, sagte ich. Ich versuchte zu lachen. Wenn ich nur gewußt hätte, was wirklich in ihm vorging!
    Er gab mir seine Karte. Meine Telefonnummer, sagte er.
    Ich nahm die Karte und sah sie an, ich habe mir Zahlen immer gut merken können. Ich riß die Karte in Fetzen und ließ sie in den Aschenbecher fallen. Ich schaute ihm in die Augen. Ich wußte, daß ich ihn niemals wiedersehen würde.
    Danke, sagte ich und ging. Ich wandte mich rasch ab, denn ich spürte, wie mir Tränen in die Augenwinkel traten.
    Es war nicht die Angst vor einer Verschwörung, die mir zu schaffen machte. Im tiefsten Herzen glaubte ich, daß Luigi einen Schuß ins Blaue abgegeben hatte. Bestimmt ging er davon aus, daß wir am nächsten Vormittag auf der Messe ein Glas Wein zusammen trinken würden. Nur ich wußte, daß das Autorenhilfswerk der Vergangenheit angehörte, und empfand es nicht als Befreiung. Ich fühlte mich unter Druck gesetzt.
    Ich ging zum Hotel und hatte das Gefühl, keinen festen Boden mehr unter den Füßen zu haben. Das Problem war vielleicht, daß ich den nie gehabt hatte. Ich hatte im Leerlauf gelebt, mein ganzes Leben lang. Ich hatte wie ein von allem losgelöstes Gehirn operiert. Es hatte nur zwei Größen gegeben, die Welt und mein Gehirn, mein Gehirn und die Welt.
    Ich hatte mehr Phantasie gehabt, als die Welt brauchen konnte. Ich hatte nie ein Leben gelebt und mich dafür entschädigen wollen. Ich wußte nicht, wer mich dafür bestrafte: Mutter, Maria oder ich selbst.

    Ich schlief einige Stunden und stand am nächsten Morgen früh in der Lobby. Auf der Via Indipendenza war alles still, aber ich hatte das Gefühl, daß ein junger Mann mich beim Auschecken beobachtete. Er saß schlecht und recht hinter einer Zeitung versteckt in einem Ledersessel. Man konnte nicht sagen, ob er gerade erst aufgestanden war oder gar nicht erst ins Bett gefunden hatte. Als ich auf die Straße hinausging und mich in ein Taxi setzte, kam er hinterher. Ich sah nicht, ob er in ein Auto stieg, aber ich meine ihn auch auf dem Flugplatz gesehen zu haben. Er trug einen unkleidsamen Stöpsel im Ohr. Ich glaube, ich hatte mir schneller als er eine Boardingkarte besorgt.
    Als ich zum Ausgang kam, gingen die anderen schon an Bord, nur wenige Minuten später hoben wir ab. Ich saß auf dem Platz 1 A, ich hatte darum gebeten. Ich schaute so gern nach rechts. Ich war unterwegs nach Neapel, es war die erste Maschine, die an diesem Morgen Bologna verließ. Zwanzig Minuten später, wie gesagt, ging ein Flug nach Frankfurt mit Anschluß nach Oslo.
    Als wir unsere Flughöhe erreicht hatten, kippte ich die Sitzlehne nach hinten und versank in einer fast verklärten Ruhe. Bald kam mir eine Geschichte aus meiner Kindheit in den Sinn. Es war eine wirkliche Erinnerung, und ich hatte seit damals nicht mehr daran gedacht. Alles war so schnell gegangen, ich war jetzt so alt wie meine Mutter bei ihrem Tod. Das ist die Geschichte:
    Ich hatte schon mit vier Jahren Lesen und Schreiben gelernt. Ich lernte es nicht von Mutter, sie fand, ich solle bis zur Schule damit warten. Ich lernte es ganz allein und glaube mich zu erinnern, daß ich im Bücherregal eine alte Fibel ausfindig gemacht hatte. Ich fand es nicht weiter schwierig, die

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