Der Geschichtenverkäufer
bist es nicht zufällig selbst, Petter?
Ich lachte. Danke für das Vertrauen, sagte ich. Aber wie gesagt, ich kann dir nicht helfen. Bestell das deinem Kumpel mit einem schönen Gruß von mir.
Er riß die Augen auf.
Du stellst die Sache auf den Kopf, wandte er ein. Vielleicht bist du derjenige, der Hilfe braucht, das soll ich dir mit einem schönen Gruß von Stefano sagen. Wenn du die Spinne bist, solltest du sehen, daß du so schnell wie möglich von hier fortkommst.
Wieder lachte ich. Ich hatte keinerlei Grund, den Kopf hängenzulassen. Dieses Gespräch mußte um jeden Preis als muntere Plauderei weitergeführt werden.
Ich schaute mich nach allen Seiten um und flüsterte: Aber warum? Was wird dieser »Spinne« eigentlich vorgeworfen?
Luigi hatte sich ein Zigarillo angezündet und setzte zu einer längeren Erörterung an. Beides war untypisch für Luigi. Er sagte: Stell dir eine Phantasiefabrik vor. Eine einzige Person leitet den Betrieb, nehmen wir an, es handle sich um einen Mann. Die ganze Zeit sitzt er dort im verborgenen und spinnt elegante Vorschläge für Romane und Theaterstücke jeglicher Art. Angenommen, er verfügt über keinerlei Ehrgeiz, selbst etwas zu veröffentlichen, das mag uns unbegreiflich und rätselhaft erscheinen, ist aber trotzdem möglich. Vielleicht ist es ihm zuwider, auch nur ein Gedicht oder eine Novelle mit seinem Namen zu versehen, vielleicht hat er auch den seltenen Wunsch, inkognito zu leben, und trotzdem muß er immer wieder seine Fabeln und Erzählungen spinnen, diesen Motor kann er einfach nicht anhalten. Nehmen wir weiter an, daß er sich im Laufe der Jahre ein weitverzweigtes Netz von Kontakten in der Branche aufgebaut hat, nicht nur in seinem Heimatland, sondern weltweit. Er kennt viele hundert Autoren, und viele von ihnen leiden in regelmäßigen Abständen an einer gewissen Schreibblockade. Angenommen also, und es soll Personen geben, die bereit sind, das zu bezeugen, angenommen also, diese Phantasiefabrik bietet frustrierten Autoren literarische Halbfabrikate an - kommst du noch mit?
Er bohrte seinen Blick in meinen. Während er redete, hatte ich dem Kellner gewunken und eine Flasche Weißwein bestellt. Es ärgerte mich, daß Luigi glaubte, mehr zu wissen als ich.
Natürlich komme ich mit, sagte ich, ich glaube sogar, du bist da auf der richtigen Spur. Was du erzählst, stimmt mit meinen eigenen Eindrücken überein.
Ach nein, meinte Luigi.
Ich fügte hinzu: Und wenn? Gut, du beschreibst ein kurioses Phänomen, aber glaubst du nicht, daß die Autoren sich schlicht und einfach über die Hilfe freuen sollten, die so eine Phantasiefabrik ihnen anbieten kann? Und sollte das lesende Publikum sich nicht ebenfalls freuen? Wenn es kalt und naß ist und das Feuer nicht brennen will, sind wir doch nur dankbar, wenn jemand mit einer Kanne Petroleum kommt.
Er lachte. Das schon, aber ich glaube, du kennst jedenfalls dieses Land nicht gut genug.
Ich fand diese Behauptung nur blödsinnig. Ich war schließlich Europäer. Kannst du Titel nennen? fragte ich.
Er nannte fünf Romane, die in den beiden vergangenen Jahren in Italien auf den Markt gekommen waren. Vier davon stammten von mir. Der fünfte, der paradoxerweise Seta, »Seide«, hieß, war eine Perle von einer italienischen Fabel, die ich gelesen hatte, für die ich aber keinerlei Verantwortung trug.
Bravo, sagte ich. Ich weiß nicht, warum ich es sagte, aber ich hätte es nicht sagen sollen.
Er erwiderte: Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Phantasiefabrik ihre Tätigkeit über viele Jahre ungehindert fortsetzen kann. Aber laß uns einfach annehmen, daß die Autoren irgendwann nervös werden. Sie sind jetzt davon abhängig, daß ihnen von anderer Seite der Stoff geliefert wird, und haben Angst vor der Dopingkontrolle. Der Pfusch kann jeden Augenblick ans Licht kommen. Sie haben kein Vertrauen mehr zur Spinne, eines Tages kann er ihnen alle Ehre, allen Ruhm nehmen, den ihre Bücher ihnen eingebracht haben. Laß uns annehmen, sie fürchten sich so sehr, daß sie anfangen, miteinander zu reden.
Wieder schaute ich mich nach allen Seiten um. Konnte uns jemand hören? Es war dumm von mir, mich umzuschauen. Ich flüsterte: Kann das der Spinne denn nicht egal sein? Sie hat nichts Verbotenes getan, und ich finde ihr
Verhalten auch sonst nicht verwerflich. Sicher hat sie mit jedem einzelnen Autor eine klare Abmachung getroffen.
Du bist kein Italiener, erklärte er hartnäckig. Vielleicht bist du auch nur zu gutgläubig.
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