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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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meine Gedanken sammeln und eine gewisse Ruhe finden. Ich beschrieb meine Begegnung mit Beate in Amalfi und unsere Wanderungen nach Pontone und Pogerola.
    Ich sitze jetzt seit vielen Stunden hier, es ist zwei Uhr. Ich habe eine Weile vor dem Fenster gestanden und auf das Meer geblickt, das gegen den Torre Saracena schlägt. Der kleine Mann wandert noch immer im Zimmer hin und her. Er fuchtelt mit seinem Bambusstock und sagt: »Husch, husch!« Ich versuche mich davon nicht stören zu lassen, aber es läßt sich nicht vermeiden, daß Meters Nervosität sich auf mich überträgt.
    Es ist halb drei. Ich habe alles, was während der letzten Tage passiert ist, und vor allem Beates Verhalten am vergangenen Abend genau durchdacht. Ich friere.
    Es ist drei. Plötzlich geht mir eine entsetzliche Tatsache auf. Ich habe das Gefühl, einen Mord begangen zu haben, ein Gefühl, als wachte ich auf, nachdem ich im Suff ein Kind totgefahren habe. Ich friere, mir ist schlecht.
    Ich weiß nicht, ob mir meine Phantasie wieder einen Streich spielt. Ich versuche, meine Gedanken niederzuschreiben, aber meine Hände zittern. Sie sagte, ihre Mutter sei an ihrem eigenen Geburtstag plötzlich tot umgefallen. Und nur wenige Wochen später treffe ich sie in Amalfi.
    Es ist nicht möglich, es muß meine Phantasie sein, die mir einen Streich spielt.
    Mein Herz beginnt zu hämmern. Ich war im Badezimmer und habe Leitungswasser getrunken, aber mir ist immer noch schlecht.
    Warum hat sie mich als Ungeheuer bezeichnet? Dachte sie dabei gar nicht an das Autorenhilfswerk? Gab es einen anderen Grund? Ich wage nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Ich würde niemals eine Synopsis auf derart teuflische Weise beenden. Es übertraf noch meine Phantasie.
    Warum werden wir uns nicht wiedersehen? Sie konnte es nicht sagen , aber sie deutete an, daß einer von uns beiden sterben müsse. Ich hielt sie für hysterisch. Ich hatte sie gebeten, von ihrem Vater zu erzählen. Ich hatte damit nur Zeit gewinnen wollen, aber sie zuckte zusammen und sagte, sie habe genug gesagt.
    Mir ist schlecht, und nicht der Gedanke an Beate ist schuld daran. Auch nicht der Gedanke an die Umarmung in der Ruine hat dieses Unwohlsein verursacht. Es liegt daran, daß ich ekelerregend bin, mir wird von mir selber schlecht.
    Wieder habe ich im Badezimmer Leitungswasser getrunken. Lange habe ich danach mein Spiegelbild angestarrt. Ich mußte mich zusammenreißen, um mich nicht ins Waschbecken zu erbrechen. Auch ich habe hohe Wangenknochen. Auch ich habe die Augen meiner Mutter.
    Es ist vier Uhr. Ich bin in kalten Schweiß gebadet. Mein ganzes Dasein ist in sich zusammengebrochen, übrig sind nur noch Haut und Knochen.
    Ich hatte alle meine Zukunftshoffnungen an Beate gehängt, jetzt bleibt mir nichts.
    Erst, als ich von der Tochter des Zirkusdirektors erzählte, ist sie wirklich erstarrt. Sie sagte, ich hätte diese Geschichte nicht erzählen dürfen, das sei dumm gewesen, entsetzlich dumm. Sie sagte nicht, daß sie diese Geschichte schon kannte, aber das meinte sie vielleicht, sie deutete an, ich hätte mir die Geschichte über die Tochter des Zirkusdirektors damals, vor vielen, vielen Jahren, nicht ausdenken dürfen. Wenn sie sich nicht selbst an die Geschichte erinnern konnte, mußte ihre Mutter ihr von dem seltsamen Mann berichtet haben, der ihr das Kleid angezogen und von dem kleinen Mädchen erzählt hatte, das tief in den schwedischen Wäldern ihrem Vater verlorengegangen war.
    Maria lebt nicht mehr, die arme Maria, sie ist am 19. Februar gestorben, an ihrem achtundfünfzigsten Geburtstag.
    Sie war nicht krank, aber sie sollte nun einmal nicht älter werden. Sie war neunundzwanzig, als wir Beate zeugten, jetzt ist Beate neunundzwanzig, das kann kein Zufall sein.
    Maria durfte nur so lange leben, bis ihre Tochter so alt war wie sie damals, als sie sich so leichtsinnig von der Spinne befruchten ließ. An diesem Tag sollten sie und ihre Tochter ihrer Nemesis begegnen, ihrer Strafe, es war die ebenso logische wie unvermeidliche Strafe der Schande. Und auch auf mich wartete schon die Erniedrigung. So wurden wir alle in Schande und Entehrung wiedervereint. Ich hatte immer schon gewußt, daß Unholde und Todesengel gelegentlich zusammenarbeiten.
    Über Wilhelmine Wittmann werde ich vielleicht morgen mehr erfahren. Aber ich weiß ja, daß sich Beate hinter diesem kuriosen Pseudonym verbirgt. Daß genau das ihr Geheimnis ist.
    Maria kannte genug Geschichten, die sie mit ihrer Tochter in den

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