Der Geschmack der Liebe
einzufordern. Bis Anna dann schwanger geworden war. Und die Fragen sich von alleine stellten. Maximilian, hatte sich damals herausgestellt, war bereits verheiratet und hatte einen kleinen Sohn. Daniel. Christine war vollkommen auf ihren Sohn fixiert gewesen, und Maximilian hatte sich einsam gefühlt. Und so kam es, dass er sich in Anna verliebte, die so ganz anders war als Christine. Diese eigenständige, selbstbewusste junge Frau, die wusste, was sie wollte, hatte ihm den Kopf verdreht. Zumindest einen milden Sommer lang.
„Versteh doch“, flehte Anna ihre Tochter an, die sich inzwischen auf den Boden gesetzt hatte und erschöpft aussah. „Von Anfang an habe ich gewusst, dass Max sich nicht für mich entscheiden würde. Mir war klar, dass er sich zwar in mich verliebt hatte, aber sein Herz eigentlich für seine Frau schlug. Ich wusste genau, dass er sie in keinem Fall verlassen würde. Schon sein Ehrgefühl hätte dies nicht zugelassen.“
„Ja, und?“ Luisa sah noch immer nicht klarer.
„Also haben wir uns geeinigt.“ Anna legte vorsichtig eine Hand auf Luisas Arm. „Weil ich dich um jeden Preis haben wollte. Ich wollte dich so sehr wie sonst nichts in meinem Leben! Maximilian hat mir damals versprochen, immer für uns da zu sein, uns immer zu unterstützen.“
Luisa schüttelte den Kopf. Ihre Mutter – ohnehin nicht sehr groß – wirkte auf dem Sofa plötzlich so klein, dass Luisa sie am liebsten umarmt hätte. Aber sie war noch immer verletzt, weil sie sich hintergangen fühlte. Auch nachdem ihre Mutter nun die Wahrheit gesagt hatte, blieben noch viele Fragen offen. Wie hatte Maximilian ihr gegenüber empfunden? Hatte er sie geliebt wie seinen Sohn? Warum hatte er sich nie als ihr Vater zu erkennen gegeben?
„Aber wieso“, wunderte Luisa sich laut, „hast du mir damals geraten, die Stelle bei Hansens anzunehmen? Obwohl du wusstest …“
„Nun“, Anna seufzte, „er wollte dich sehen, wollte wissen, was aus dir geworden ist. Obwohl unsere Beziehung nach diesem Sommer vorbei war, rief er in regelmäßigen Abständen an. Bat mich darum, ihm zu sagen, auf welchen Spielplatz ich mit dir ging. Und ab und zu kam er dorthin und beobachtete dich. Aus der Ferne. Weil ich nicht wollte, dass du ein Verhältnis zu ihm aufbaust.“
„Aber warum denn nicht?“ Luisa verstand es noch immer nicht. „Wieso hast du mir all die Jahre nichts gesagt, selbst nach … Papas Tod? Das ist doch nicht fair.“
Anna nickte bedrückt. „Ich weiß“, murmelte sie. „Wir hielten es einfach für das Beste. Robert liebte dich wie seine eigene Tochter, und wir haben einfach keinen Grund gesehen, dich zu beunruhigen. Maximilian war seiner Frau zuliebe einverstanden mit dieser Lösung.“ Verhalten begann Anna wieder zu weinen. Luisa reichte ihr ein Taschentuch und schüttelte den Kopf. Das war ja eine tolle Sache. Ihre Mutter hatte all die Jahre den Mund nicht aufgemacht, und ihr wahrer Vater hatte zu Lebzeiten nicht den Mumm gehabt, zu ihr zu stehen. Langsam stand Luisa auf und streckte sich. Sie wollte jetzt nur noch nach Hause. Zwar hatte sie ein schlechtes Gewissen, jetzt zu gehen und ihre Mutter hier zurückzulassen. Aber sie brauchte einfach ein wenig Zeit für sich. Sie musste nachdenken. Sie strich Anna leicht über die zuckenden Schultern und ging. Außerdem musste sie Molly von Katze erlösen. Denn ihre beste Freundin hatte heute Abend ein Date mit einem Herrn, der nicht gut auf Hunde zu sprechen war. Als Luisa ankam, stand Molly bereits schick gemacht vor dem Garderobenspiegel. Mit nur einem Blick auf Luisa sah Molly sofort, dass etwas ganz gewaltig nicht stimmte.
„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“, wollte sie wissen, doch Luisa wehrte ab. „Ein andermal, okay? Das ist eine lange Geschichte!“ Luisa hätte wissen müssen, dass sie damit nicht durchkam. Molly wollte sogar ihre Verabredung absagen, damit Luisa sich aussprechen konnte. Also willigte Luisa schließlich ein, ihre Freundin zur U-Bahn zu begleiten und ihr währenddessen wenigstens eine Kurzfassung dieses verrückten Tages zu erzählen. Und wäre sie nicht derart durch den Wind gewesen, sie hätte sich sicherlich über Mollys immer größer werdende Augen amüsiert. So jedoch versprach Luisa ihr, sie auf dem Laufenden zu halten und demnächst alles in Ruhe mit ihr zu besprechen. Kaum zu Hause angekommen, kuschelte sich Luisa mit Katze ins Bett und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Noch immer war es für sie kaum vorstellbar, dass
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