Der Geschmack der Liebe
Maximilian Hansen ihr Vater war. Und sie fragte sich, wie jetzt wohl die hochwohlgeborenen Hansens mit ihr umgehen würden. Wenn sie nur morgen aufwachte und alles würde sich als Albtraum herausstellen … Bevor sie einschlief, musste sie noch an den Fremden mit den tollen Augen vom Flughafen denken. Der hatte es wirklich dicke abgekriegt, der Arme. Über diesen Gedanken schlief sie schließlich ein und träumte von einem Ritter auf einem weißen Pferd, der sie mit den wunderschönsten grauen Augen anschaute, die sie jemals gesehen hatte.
In der Villa der Hansens herrschte helle Aufregung. Christine konnte noch immer nicht fassen, dass ihr Maximilian sie hintergangen haben sollte. Immer wieder rechnete sie zurück, aber Luisas Alter ließ keinen anderen Schluss zu. Kein Zweifel, Maximilian hatte sie betrogen. Der Brief, den sie heute von Doktor Struppek erhalten hatte, verletzte sie nur noch mehr. Maximilian hatte ihn vor ungefähr drei Jahren geschrieben – am Tag von Luisas Einstellung in die Rösterei. Mit ausschweifenden Worten entschuldigte er sich darin für seinen Fehltritt, bat um Verständnis und hielt Christine gleichzeitig dazu an, im Falle seines Todes seine uneheliche Tochter fair zu behandeln. Aber wie sollte Christine das schaffen? Luisa war immerhin der lebende Beweis seiner Untreue! Christine hatte ihrem Mann immer vertraut, er war der Mittelpunkt ihres Lebens gewesen. Und er hatte sie all die Jahre über belogen …
Wie in Trance hörte Christine ihrem Sohn zu, der immer wieder erklärte, dass seine uneheliche Halbschwester nicht ins Unternehmen gehörte.
„Das muss man doch anfechten können!“, schrie er wutentbrannt. „Es kann doch nicht sein, dass so mir nichts, dir nichts ein Kuckucksei auftaucht und auch noch Ansprüche stellt. Schlimm genug, dass Vater fremdgegangen ist und ein Kind in die Welt gesetzt hat. Aber musste er diese Vogt auch noch im Testament bedenken?“
Christine sah erschöpft zu, wie Eleonore beschwichtigend die Hände hob, um Daniel endlich zum Schweigen zu bringen. Christine war dabei gewesen, als sie sich bei Doktor Struppek informiert hatte. Beide Frauen wussten, dass das Testament hieb- und stichfest war.
„Na und, dann holen wir uns eben einen anderen Anwalt!“ Daniel war fuchsteufelswild.
Christine lag auf dem Sofa, eine Wolldecke über sich gebreitet, und betrachtete die beiden Streithähne.
„Nun sag du doch auch mal was, Mutter!“, zwang Daniel sie dazu, sich einzumischen. Christine schüttelte müde den Kopf.
„Was soll ich denn sagen. Dein Vater ist tot, was kümmert mich eure Streiterei? Was geht mich die Firma an! Maximilian war … mein Leben. Und jetzt ist er nicht mehr da. Es ist einfach nichts mehr übrig, nichts und niemand mehr. Ich bin alleine!“
Eleonore warf ihrem Enkel einen strafenden Blick zu, als sie zu Christine eilte, die nun von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt wurde. „Komm schon, ich bringe dich ins Bett“, sagte sie beruhigend und half ihrer Schwiegertochter auf. Auf Daniels wütendes Schnauben hin, drehte sie sich vor der Treppe noch einmal um und sah ihm fest in die Augen.
„Es ist ganz einfach, Daniel. Finde dich besser damit ab, dass es ab sofort ein weiteres Familienmitglied gibt, das dieselben Rechte hat wie du. Dieselben Rechte wie wir. Ob dir das gefällt oder nicht!“
Daniel blieb nichts weiter übrig, als seiner Mutter und Großmutter hinterherzustarren. Die gleichen Rechte? Das war ja wohl ein Witz! Und wenn weder Eleonore noch seine Mutter bereit waren, gegen diese Ungeheuerlichkeit vorzugehen, dann würde er sich eben im Alleingang um die entsprechenden Maßnahmen kümmern! Von wegen, es war niemand mehr übrig, für den es sich zu kämpfen lohnte!
6. KAPITEL
Irgendetwas stimmte nicht, das merkte Luisa sofort, als sie am nächsten Morgen die Kaffeeküche betrat. Plötzlich waren alle Gespräche verstummt. Nicole sah ihr nicht mal in die Augen, als Luisa ihren Kollegen einen guten Morgen wünschte. Und Hubertus Braun sah aus, als habe er ein schlechtes Gewissen. Als Luisa sich Kaffee einschenkte, wichen ihr die Kollegen aus, als hätte sie eine ansteckende Krankheit.
„Was ist denn mit euch los?“ Luisa blickte verwundert um sich. Sie war sich keiner Schuld bewusst. Ein paar der Röster machten ein betretenes Gesicht und verzogen sich. Auch Nicole stellte ihre Tasse in die Spülmaschine. Doch jetzt reichte es. War es nicht schon genug, dass die Familie Hansen sie gestern behandelt hatte wie eine
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