Der Geschmack der Liebe
Umsätze sind in den letzten beiden Jahren stark zurückgegangen. Comtess Coffee mit seinem Billigkaffee hat Hansen bereits den Rang abgelaufen. Und Ihr Sohn, Verehrteste, ließ sich erst spät von Expansions- und Neuerungsplänen überzeugen. Deswegen ist es auch so schlecht um das Kaffeehaus bestellt. Trotz der Toplage.“
An das Kaffeehaus hatte Eleonore gar nicht mehr gedacht. Es war ein Herzblutprojekt ihres Sohnes gewesen, und er hatte enorme Geldsummen hineingesteckt. Seit knapp zehn Jahren bestand es nun, und sie selbst hatte es seit der Eröffnung nicht mehr besucht.
„Ich kann Ihnen alle Unterlagen mitgeben, damit Sie sich in der Firma beraten können“, unterbrach Herr Mengersson ihre Gedanken. „Sehen Sie, Frau Hansen, man muss heutzutage schnell und flexibel sein, sonst rennt einem die Zeit rascher davon, als es einem lieb ist.“
Das bedeutete im Klartext, dass Eleonore so schnell wie möglich eine Lösung finden musste. Und das zu einer Zeit, in der Hansen Kaffee ohne Geschäftsführer war. Zum Glück hatte sie bereits einen Headhunter darauf angesetzt, einen neuen Geschäftsführer für die Rösterei zu suchen. Einige Bewerbungsunterlagen waren bereits bei ihr eingegangen und erste Gespräche geführt worden. Ein junger Mann erschien Eleonore der Richtige für diese Position zu sein.
„Gut“, Eleonore stand entschlossen auf. „So machen wir das. Ich habe vor, einen neuen Geschäftsführer einzustellen. Jemanden, der, wie haben Sie es gesagt, mit der Zeit geht und flexibel ist. Also bitte“, sie schluckte. Dass sie jemals bei ihrer Hausbank um einen Aufschub würde bitten müssen, hätte sie sich nicht träumen lassen. „Geben Sie uns einfach noch ein paar Wochen.“
Der Bankier nickte. „Natürlich, Sie werden bestimmt eine Lösung finden“, sagte er und übergab Eleonore einen großen Stapel Blätter. „Bitte sehr, ich habe vorsorglich alles kopieren lassen.“
Wie in Trance lief Eleonore aus dem alten Gebäude und blinzelte in die Sonne. Sie musste sich nun also entscheiden. So bald wie möglich. Eleonore seufzte. Sie brauchte dringend jemanden, mit dem sie all die Einzelheiten besprechen konnte. Nur wen? Christine war heute Morgen nach Australien abgereist. Und mit Daniel konnte sie wohl momentan nicht rechnen, hatte sie ihn doch erst gestern seiner Stellung als Geschäftsführer enthoben. Sie hoffte sehr, dass ihr Enkel sich irgendwann wieder darauf besinnen würde, dass es immerhin das Unternehmen seines Vaters war, dem er durch sein Verhalten schadete. Tief in Gedanken eilte Eleonore zur Firma zurück. Sie fühlte sich plötzlich hundert Jahre alt.
Luisa stand alleine in der Kaffeeküche und telefonierte mit ihrer Mutter. Seit dem großen Krach hatten sie sich hier und da mal angerufen, doch Luisa war seither nicht mehr bei Anna gewesen. Und die hatte sie auch zu keiner Zeit gedrängt.
„Mama?“ Luisa wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, aber heute Morgen hatte sie urplötzlich Appetit auf Haferflockenbrei bekommen. Ein Gericht, das Anna ihr immer dann zum Frühstück gemacht hatte, wenn es Luisa nicht gut ging.
„Ich bin so froh, dass du anrufst!“ Anna klang erleichtert.
„Wollen wir mal wieder miteinander essen?“, fragte Luisa und lächelte, als ihre Mutter sofort zusagte. All die Jahre hatten sie sich gut verstanden, es wurde Zeit, die Unstimmigkeiten zu bereinigen. „Ich lade dich ein, am Wochenende?“
„Prima Idee, mein Schatz“, freute sich Anna, und Luisa wurde es auf einmal ganz leicht ums Herz.
„Wohin wollen wir?“, wollte sie wissen.
„Egal“, lachte Anna. „Hauptsache, wir sind zusammen. Lass uns das spontan entscheiden.“
Gerade als Luisa sich verabschiedete, betrat Eleonore Hansen die Kaffeeküche.
„Oh, guten Tag, Frau Vogt!“, begrüßte sie Luisa gedankenverloren. Die alte Dame wollte schon wieder gehen, da hielt Luisa ihr schüchtern eine Tasse Café Luna hin.
„Sind Sie vielleicht auf der Suche nach einem Kaffee?“, fragte sie lächelnd. Die Patriarchin sah so müde aus, dass sie Luisa richtig leidtat.
Nachdenklich musterte Eleonore Hansen Luisa. Das Mädchen trug wie immer die grüne Schürze der Kaffeeröster. Kein einziges Mal hatte sie an Eleonores Tür geklopft und um mehr Geld oder eine andere Position in der Firma gebeten.
„Ich bin auf der Suche nach meinem Enkel“, begann sie. „Haben Sie ihn vielleicht gesehen?“
Luisa schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid, schon ein paar Tage nicht
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